KOOPERATION: Im Notfall über den Rhein

Im Rheintal arbeitet ein öffentliches St.Galler Spital mit einer ausländischen Privatklinik zusammen. Eine Premiere, die beiden Seiten nützt.

Regula Weik
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Initiiert von acht Ärzten, seit Mitte Januar in Betrieb: die Privatklinik Medicnova in Bendern. (Bild: PD)

Initiiert von acht Ärzten, seit Mitte Januar in Betrieb: die Privatklinik Medicnova in Bendern. (Bild: PD)

Regula Weik

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@tagblatt.ch

Zehn Autominuten und eine Landesgrenze liegen zwischen dem Spital Grabs und der Privatklinik Medicnova in Bendern. Beides ein Nichts. Das sagten sich auch die Initianten der neuen Liechtensteiner Klinik, als sie auf die Suche nach einem Kooperationspartner gingen. Diesen benötigten sie für Notfälle und Intensivversorgung. Und so arbeitet seit knapp drei Monaten im Rheintal ein öffentliches St.Galler Spital mit einer ausländischen Privatklinik zusammen. «Erstmalig im Kanton St.Gallen», sagt Stefan Lichtensteiger, CEO der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland. Das Spital Grabs gehört ihr an.

Die Klinik Medicnova, initiiert von acht Ärzten, nahm Mitte Januar den Betrieb auf. «Privat bedeutet für unsere Klinik: privat initiiert, privat finanziert, privat geführt», sagt Hansjörg Marxer, Verwaltungsrat der Medicnova Privatklinik AG. Und nur offen für Privatpatienten? Grundsätzlich seien alle Patienten willkommen – «unabhängig von der Art der Krankenversicherung», sagt Marxer. Allgemeinpatienten haben derzeit allerdings keine volle Kostendeckung; der Klinik fehlt die notwendige Zulassung. «Das ist eine politische Frage, die hoffentlich bald geklärt wird», so Marxer. Die Anträge für die Bereiche Gefässchirurgie und Kardiologie seien vor über einem Jahr beim zuständigen Ministerium für Gesellschaft eingereicht worden. «Wir haben bis heute keine Antwort erhalten.»

300 Patienten jährlich mehr in Grabs

Auf die Frage, weshalb die Wahl auf das Spital Grabs fiel, antwortet der Verwaltungsrat: «Die Spitalregion ist ein auf beiden Seiten des Rheins breit verankerter und anerkannter Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen.» Gespräche hatten auch mit dem Landesspital Vaduz stattgefunden – ohne Ergebnis. Das wundert nicht weiter, waren doch die Initianten der Privatklinik früher als Belegärzte am liechtensteinischen Spital tätig gewesen.

Die Privatklinik habe bei ihnen angeklopft, sagt Lichtensteiger. «Die Initiative zur Kooperation ging von ihr aus.» Die Ausgangslage sei klar gewesen: Die Medicnova benötigt «quasi ein Spital-Back-up, sprich Zugang zu einer Notfall- und einer Intensivstation». Das Spital Grabs erbringe diese Leistungen bereits heute rund um die Uhr; die Zusammenarbeit habe keine zusätzlichen Angebote oder Investitionen nötig gemacht. Die offenen Türen in Grabs sind keine reine Gefälligkeit. «Wir rechnen jährlich mit 300 bis 350 zusätzlichen Patienten», so der CEO. Patienten mit einer schweren Indikation, bei denen eine Intensivbehandlung vorhersehbar sei, wie auch allgemeinversicherte Patienten würden von Beginn weg diesseits des Rheins behandelt und von den Ärzten der Privatklinik in Grabs operiert. Eine solche Belegarztregelung ist für Grabs an sich nichts Neues. Seit Jahren sind 30 bis 40 Belegärzte am St.Galler Regionalspital tätig.

Ist die Zusammenarbeit als Reaktion auf die gescheiterten Kooperationspläne mit dem Landesspital Vaduz zu verstehen? Es hatte sich gegen die St.Galler entschieden und arbeitet heute mit Chur zusammen. Lichtensteiger verneint. «Das Fürstentum ist seit eh und je Teil unseres Einzugsgebiets.» So kommen heute zwei Drittel der Liechtensteiner Kinder in Grabs zur Welt; Vaduz verfügt über keine eigene Gynäkologie mehr.

Das Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Spitälern ist oft von Konkurrenzdenken geprägt. Lichtensteigers pragmatische Antwort: «In gewissen Bereichen sind wir Konkurrenten, in anderen Partner.»

Auf die neue Spitalkooperation angesprochen, meint der Zürcher Gesundheitsökonom Willy Oggier: Entscheidend sei, dass beide Partner einen ähnlich grossen Nutzen ziehen und die Kooperation nicht nach dem Motto «Schinken mit Ei» funktioniere – «der eine Partner endet auf der Schlachtbank, und der andere kann das Gelbe vom Ei im Wert noch vergrössern». Der Spitalwettbewerb werde zunehmend interkantonal geführt, sagt Oggier. «Insofern waren solche Entwicklungen zu erwarten.» Im Kanton St.Gallen komme die internationale Zusammenarbeit eher spät. «In Basel wird seit geraumer Zeit versucht, mit dem süddeutschen Raum zu kooperieren – mit mässigem Erfolg.» Für eine aussagekräftige Bilanz sei es zu früh, sagt Lichtensteiger. «Die ersten drei Monate waren wir grundsätzlich auf Kurs.»