Stinkende Kaninchen und versperrte Sicht: Der Streit zweier Nachbarn um Schuppen und Stallungen auf einem Grundstück am Zürichsee konnte erst das Verwaltungsgericht beilegen.
In einem Dorf am Zürichsee liegen zwei Einfamilienhäuser dicht nebeneinander. Im einen Haus lebte seit langer Zeit ein Ehepaar, das unermüdlich im Garten werkelte. Es errichtete mehrere Lagerschuppen, einen später nicht mehr gebrauchten Hundezwinger, ein Hühnerhaus und einen Kaninchenstall. Die Baracken wurden aus rohen Brettern gezimmert und mit rostigem Wellblech oder alten Tonziegeln gedeckt. Dazwischen war ein Miststock aufgetürmt. An der Grenze stand ein Zaun aus verwitterten Kunststoffplanken.
Der Ärger begann, als im Haus nebenan eine junge Familie einzog und nicht die idyllischen Verhältnisse vorfand, die sie sich auf dem Lande erträumt hatte. Die Hühner gackerten und die Kaninchen stanken, Gülle ergoss sich auf die Wiese und Plastikfetzen verfingen sich im Gebüsch.
Die neuen Anrainer bemängelten bei der Gemeinde, dass es auf der benachbarten Parzelle aussehe wie in einem verwahrlosten Schrebergarten. Der Gemeinderat wiegelte ab: Die wackligen Verschläge seien zwar ohne Bewilligung gebaut worden. Sie hätten jedoch schon viele Jahre Bestand, weshalb eine Beseitigung nur noch verlangt werden könnte, wenn eine Gefahr für Leib und Leben zu befürchten wäre.
Weitere Schreiben wurden gar nicht mehr beantwortet. Daher beklagte sich die erboste Familie beim Kanton über eine Rechtsverweigerung. Auf telefonische Anfrage räumten die Nachbarn ein, sie hätten die Hütten wohl schon vor etwa vierzig Jahren erstellt, aber immer wieder erneuert und erweitert. Sie erklärten sich bereit, die störendsten Bauwerke zu entfernen und die Grenzwand zu ersetzen.
Ein förmliches Gesuch legten sie allerdings trotz wiederholter Versprechungen nie vor. Schliesslich mochte sich der bisher so nachsichtige Gemeinderat doch nicht mehr länger hinhalten lassen. Er forderte die Schopf- und Stallbesitzer auf, sämtliche Nebenbauten innert drei Monaten abzubrechen, und drohte für den Unterlassungsfall eine Ersatzvornahme nebst einer Ungehorsamsstrafe an. Die Eheleute hielten den Abbruchbefehl für übertrieben streng und griffen zu einem Rechtsmittel.
Eine Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands kann unterbleiben, wenn die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist. Auf dieses Verhältnismässigkeitsprinzip darf sich auch ein Bauherr berufen, der nicht gutgläubig handelte. Er muss aber in Kauf nehmen, dass die Behörden den Schutz der Rechtsgleichheit wie die Einhaltung der Rechtsordnung stärker gewichten und die ihm erwachsenden Nachteile nicht oder nur in geringerem Masse berücksichtigen. So wurden die Eigentümer des sogenannten Baumhauses in der Stadt St.Gallen verpflichtet, ihren hochgelobten Neubau anzupassen, obwohl die zulässige Gebäudehöhe nur um wenige Zentimeter überschritten worden war und die Verkürzung einige hunderttausend Franken kostete.
In unserem Fall stellte das Baudepartment bei einem Augenschein fest, dass die Grundbesitzer sich um sämtliche Vorschriften foutiert hatten: Die Unterstände wurden auf ein erhöhtes Terrain gestellt und nahe an die Grenze gerückt, aus unansehnlichen Materialien gebastelt und für eine ausgedehnte Kleintierhaltung genutzt, die in einer reinen Wohnzone fehl am Platz war. Die veritablen Bruchbuden hatten zudem keinen Substanzwert und die Entsorgung verursachte nur bescheidene Transportkosten. Deshalb wurde der Rekurs ohne Weiteres abgewiesen.
Der Ehemann war vor kurzem Witwer geworden und wollte nun die geliebte Kaninchenzucht erst recht nicht mehr aufgeben. Er setzte seine letzte Hoffnung in das st.gallische Verwaltungsgericht. Vor diesem wies er auf eine inzwischen eingereichte Baueingabe hin. Darin hatte er selbst beantragt, die Schuppen abzureissen und den Kaninchenstall in kleinerem Umfang und gefälligerer Erscheinung neu zu gestalten.
Das Gericht tritt auf die Beschwerde mit folgender Begründung nicht ein: Wer die Pflicht zum Rückbau bestreite und gleichzeitig ein eigenes Gesuch mit demselben Ziel stelle, sei durch die angefochtene Verfügung nicht beschwert und könne aus einer Aufhebung keinen praktischen Nutzen ziehen – es sei denn, er plane insgeheim, von der Abbruchbewilligung gar nicht Gebrauch zu machen und den rechtswidrigen Zustand gewissermassen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag andauern zu lassen. Eine solches missbräuchliches Vorhaben sei dem Beschwerdeführer nach seinem bisherigen Verhalten durchaus zuzutrauen. Das sollte er sich gut merken: Die Justiz schätzt es nicht, wenn man zuallerletzt noch ein Kaninchen aus dem Hut zaubert.