In einer Hinsicht erlebte die Ostschweiz 2018 ein Jahrhundertereignis: Nirgends in der Schweiz war es so trocken wie hier. Das Jahr zeigte auf, welche Umwälzungen der Region mit dem Klimawandel bevorstehen.
Tierquäler und Professorenspesen, Bergwirte und Bahnhofsuhren trieben 2018 die Ostschweiz um. Manches ist wohl bald wieder vergessen. Ein Jahrhundertereignis wird uns aber noch länger beschäftigen: So trocken war es hier noch nie, sagt Meteo Schweiz.
Für manche waren Feuerverbote am Nationalfeiertag die schlimmsten Folgen. Anderen erging es schlechter. Im Rhein vor Schaffhausen verendeten drei Tonnen Fische. Für manch verzweifelten Bauern begann die Metzgete schon im Sommer, weil die verdorrten Wiesen kein Futter mehr hergaben. Oder sie verliessen die Alp bereits Wochen vor der üblichen Alpabfahrt. Für einige Schiffsrouten reichte das Wasser nicht mehr.
Gerät auch der Hitzesommer 2018 bald in Vergessenheit, so nur aus einem Grund: Der nächste kommt bestimmt. Seit 2011 jagen sich die Hitzerekorde, ein Ende ist nicht in Sicht. Der Klimawandel ist im vollen Gange. Dieser Sommer war nur ein Vorgeschmack.
Die Gras- und Viehwirtschaft, die in der Ostschweiz die Landschaft prägt, steht vor groben Umwälzungen: Gras hat flache Wurzeln. Fehlt der Regen, findet es kaum noch Wasser. Wärmen sich Flüsse und Seen auf, geht vielen Fischen die Luft aus. Dem Pizolgletscher geben die Forscher noch zehn Jahre. Die Bergbahnen verkauften derweil im Sommer doppelt so viele Fahrten wie sonst. Das klingt erfreulich, bis die Zahlen der immer wärmeren Winter bekannt werden.
Andererseits war es ein sensationelles Weinjahr. Wird die Ostschweiz ein Weinland? Ein solcher Umbau ist ein Risiko: Wer weiss schon, ob Appenzeller Wein je so einzigartig würde wie Appenzeller Käse?
Vielleicht lässt sich die Entwicklung bremsen. Der oberste Thurgauer Bauer, Markus Hausammann, lobbyierte im Nationalrat für mehr Mittel für die Züchtung von hitzeresistenten Nutzpflanzen. So liesse sich der Umbau besser bewältigen.
Manche wollen das Ruder noch herumreissen, besser spät als nie: Kalifornien verpflichtet sich, bald nur noch erneuerbare Energien zu verwenden. Andere US-Bundesstaaten überlegen sich ähnliche Schritte, auch wenn Präsident Donald Trump vom Klimawandel nichts wissen will. Das ist entscheidend, denn ohne weltweite Massnahmen lässt sich wenig erreichen. Das haben auch manche Schweizer Parlamentarier noch nicht erkannt, die den Klimawandel nur im Ausland bekämpfen wollen.
Dabei wird Fotovoltaik immer günstiger, Elektroautos auch. So wird es immer einfacher, den Klimawandel zu bremsen. Es gilt diese Entwicklungen zu fördern, statt ihnen im Weg zu stehen. Es lohnt sich. So bleiben vielleicht viele Wiesen grün. Aber auch der Ostschweizer Wein wird besser, ganz automatisch, denn ganz stoppen lässt sich der Klimawandel nicht mehr.