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Ostschweiz
Die Kirchen legen sich vehement für die Konzernverantwortungsinitiative ins Zeug – für die Initianten ein Geschenk des Himmels. Doch zunehmend wird Kritik am kirchlichen Engagement laut. Braucht es mehr Zurückhaltung? Oder gar eine Gesetzesanpassung? Damit muss sich nun die St. Galler Regierung auseinandersetzen.
Das Komitee «Kirche für Konzernverantwortung» ist prominent besetzt. An vorderster Front mit dabei sind der St. Galler Bischof Markus Büchel und die Weinfelderin und Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes Simone Curau-Aepli. Und sie stehen innerhalb der Kirchenlandschaft keineswegs isoliert da: Die Schweizer Bischofskonferenz, die Evangelisch-Reformierte Kirche Schweiz und der Verband Freikirchen Schweiz unterstützen das Volksbegehren, das Schweizer Unternehmen auf die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt auch im Ausland verpflichten soll. Über 650 Kirchgemeinden und Pfarreien unterstützen das Komitee.
Und dieses ist aktiv. Auf seiner Website finden sich passende Bibelpassagen und vorformulierte Predigten. Ein derartiges politisches Engagement der Kirchen ist nicht alltäglich – und gefällt längst nicht allen Kirchenmitgliedern. Es regt sich Widerstand. Und es werden rechtliche Fragen aufgeworfen.
Das tut auch der St. Galler Anwalt und FDP-Kantonsrat Walter Locher in einem aktuellen politischen Vorstoss. Kirchen sind in den allermeisten Kantonen, so auch in St. Gallen, als öffentlich-rechtliche Körperschaften konstituiert. Locher will daher von der Regierung wissen, ob sie bereit ist, das Gesetz über die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften anzupassen und den Grundsatz der politischen Neutralität der Religionsgemeinschaften im Gesetz festzulegen oder deren Verhalten im Vorfeld von Abstimmungen zu regeln.
Politische Behörden seien im Vorfeld von Abstimmungen zu «korrekter und zurückhaltender Information» verpflichtet, sagt Locher. Und weiter:
«Für kirchliche Behörden gelten bis heute keine solchen Regeln.»
Die derzeitigen einseitigen Kampagnen der Landeskirchen und einzelner Kirchgemeinden zu Gunsten der Konzernverantwortungsinitiative zeigten, dass «dies mangelhaft ist und die Abstimmungsfreiheit verletzt».
Auch zur Finanzierung des kirchlichen Engagements wirft Locher Fragen auf, denn:
«Manche Kirchengemeinden werben nicht nur in Messen und Gottesdiensten, sondern auch mit Bannern an ihren Gebäuden für die Initiative – finanziert mit dem Geld, das von den Kirchensteuern aller Mitglieder stammt.»
Während sich natürliche Personen der Steuerpflicht durch einen Kirchenaustritt entziehen könnten, seien juristische Personen im Kanton St. Gallen zumindest indirekt unausweichlich zur Steuerzahlung und damit zur Mitfinanzierung von Abstimmungskampagnen verpflichtet. Locher will daher von der Regierung erfahren, ob sie bereit ist, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, dass sich juristische Personen künftig freiwillig der Kirchensteuerpflicht unterstellen können.