Gestern ist das Herisauer Bloch aus einem langen Schlaf erwacht – dieser dauerte fast hundert Jahre.
HERISAU. Petrus' Herz muss für die Herisauer schlagen; zumindest für das Herisauer Bloch. Gestern beschenkte er dessen 45 Mannen auf der ganztägigen Bloch-Tour mit eitel Sonnenschein. Bevor es frühmorgens Richtung Waldstatt losging, hiess es für die Köche und Metzger, die Zimmerleute und Schmiede, die Sattler und Handwerker, die Jäger und Förster oder die Bauern und Sennen: «Blochmannschaft, ieschtoo!» Begleitet von Kässelibuben, sieben Reitern, einem Fuhrmann, einem Wagenmeister, zwei Musikanten, einem Schmid und einem Bären samt Wärter setzte sich der Tross in Bewegung.
Das gestrige Herisauer Bloch war jedoch keine Premiere; viel eher ein Wiederaufleben eines alten Herisauer Brauchs. Bereits vor knapp einhundert Jahren, letztmals 1913, führte ein Bloch Umzug vom Aussenbezirk Ramsen ins Dorfzentrum und wieder zurück. Während des ersten Weltkriegs wurde das Blochziehen vorübergehend verboten. Danach liessen sich die Herisauer nicht mehr für den Brauch «einspannen». Bis gestern.
Das neue Herisauer Bloch dürfte sich jedoch von dessen Vorfahren unterscheiden. Details von damals sind nirgends niedergeschrieben, Zeitzeugen gibt es keine. Den brauchtumsnahen, innovativen Männern und ihren Helferinnen blieb einzig der Weg des Neuanfangs. Kleider mussten genäht, Requisiten gesucht und vor allem musste ein Wagen für den Baumstamm gefunden und fahrtüchtig gemacht werden. Das Herzstück des Blochs, der Stamm einer Rottanne, ist ein Geschenk der Gemeinde Herisau. «Wenn sich in Herisau Personen mit so viel Engagement für eine Sache einsetzen, ist dies unterstützenswert», fasst Gemeindepräsident Paul Signer den Entscheid des Sponsorings zusammen. «Zudem ist der Brauch in Herisau nicht neu, sondern nur einige Zeit eingeschlafen gewesen.» Gefällt wurde die Tanne von der Blochmannschaft höchstpersönlich; vor Weihnachten im Rechbergwald ausserhalb Herisaus. Gestern Abend wurde das Bloch vor der Herisauer Chälblihalle versteigert. Dem meistbietenden winkte ein rund 2,4 Kubikmeter grosser und rund sechs Meter langer Baumstamm.
Von Herisau über Waldstatt führte die Umzugsroute nach Schönengrund. Dort fanden sich die Männer im «Ochsen» zum Mittagsrast ein. Gespickter Braten und Kartoffelstock liessen sie kräftig genug für den Aufstieg über die Risi nach Schwellbrunn werden. Im Gedenken an die Route des alten Herisauer Blochs machte die Blochgesellschaft kurz vor dem Ziel einen Umweg zum Restaurant Ramsenhof, dem früheren Ausgangsort des Blochs. Schliesslich traf die Crew nach rund 15stündiger Tour auf dem Herisauer Ebnet wieder ein. Mit 26 Kilometern Fussmarsch und 300 Höhenmetern in den Beinen, notabene.
Es sei kein Problem gewesen, die 45 Mannen für die Blochgesellschaft zu finden, gibt Koni Dietrich, Präsident der Blochgesellschaft Herisau, an. Bis auf wenige hätten alle Bezug zu Herisau. Entweder sind sie im Ausserrhoder Hauptort aufgewachsen, leben jetzt in diesem – oder eben beides. «Auf alles», antwortete Dietrich auf die Frage, worauf sie bei den Vorbereitungen am meisten Wert legten. Im besonderen wollten sie aber einfach «gut und gepflegt daherkommen». Mit dem Tagesverlauf zeigte sich Koni Dietrich zufrieden. Während des kurzen Vesperhalts in Schwellbrunn wagte er ein erstes Fazit: «Der Tag verlief bis jetzt meinen Vorstellungen entsprechend. Da wir keine Erfahrungen hatten, mussten wir da und dort ein wenig improvisieren.» Da erstaunt auch Dietrichs Blick in die Zukunft nur wenig: «Aller Voraussicht nach werden wir den Brauch des Herisauer Blochs künftig jedes Jahr organisieren.» Ähnlich sieht es auch Gemeindepräsident Paul Signer: «Ich hoffe, dass der Brauch nun jährlich gelebt wird. Er ist eine Bereicherung für Herisau.» Eine weitere Auflage des neuen Herisauer Blochs dürfte im Anbetracht des Enthusiasmus der 45 Männer folgen.