Trockenheit
Neue Messgeräte, neue Wasserquellen: Der Thurgau reagiert auf die Klimaveränderung

Im Wald Feuer zu entfachen, muss ebenso verboten werden, wie das Abpumpen von Wasser aus Flüssen und Seen. Trockene, heisse Sommer haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Darauf muss man sich einstellen. Anpassen müssen sich vor allem die Wasserversorgungen und die Landwirtschaft.

Thomas Wunderlin
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Robert Holzschuh, Mitarbeiter des Thurgauer Amts für Umwelt, prüft die Genauigkeit der revidierten Messstation Giessen Weid, Gemeinde Weinfelden.

Robert Holzschuh, Mitarbeiter des Thurgauer Amts für Umwelt, prüft die Genauigkeit der revidierten Messstation Giessen Weid, Gemeinde Weinfelden.

Bild: Benjamin Manser

Um die Durchflussmenge des Giessen bei Weinfelden auch bei sehr wenig Wasser messen zu können, hat das Amt für Umwelt eine neue Betonschwelle unterhalb der Messstation Weid eingezogen. Sie weist nun eine Abschrägung mit einer Einkerbung auf. Der Wasserspiegel kann weiter absinken als zuvor. Der Wasserdruck verändert sich auch bei tieferem Pegelstand und kann in diesem Bereich gemessen werden.

Derartige Anpassungen sind bei vielen Messstationen der Thurgauer Gewässer nötig geworden, da sich die Trockenphasen häufen. Mittlerweile ist es zur Ausnahme geworden, wenn der Regierungsrat wie 2021 im Sommer nicht den Fachstab Trockenheit einberufen muss.

Sommer 2022 lag 2,3 Grad über der Norm

Der Sommer 2022 war der zweitheisseste seit Beginn der Aufzeichnungen, übertroffen nur vom Hitzejahr 2003. Im landesweiten Mittel lag 2022 die Sommertemperatur 2,3 Grad über der Norm 1991–2020.

Bevölkerung und Medien hätten grosses Interesse gezeigt, der Fachstab sei gefordert gewesen, sagte Regierungsrat Dominik Diezi (Mitte) an einer Medienorientierung in Weinfelden am Montag. Mit den Niederschlägen in der zweiten Augusthälfte habe sich die Situation entspannt. Obwohl das überdurchschnittlich warme Wetter anhält, sah Diezi den Moment für einen Rück- und Ausblick gekommen. Der Vorsteher des Departements für Bau und Umwelt stellte fest:

«Wir müssen mit dem Klimawandel leben lernen.»
Regierungsrat Dominik Diezi (Mitte).

Regierungsrat Dominik Diezi (Mitte).

Benjamin Manser

Anpassungen sind in verschiedenen Bereichen notwendig. Man muss sich laut Diezi bewusst sein, dass Wasser eine knappe Ressource sei, dass Waldbrandgefahr bestehe und die Fische in heissen Sommern unter Druck stünden. Zugleich beruhigte er:

«Man muss sich im Thurgau nicht sorgen, dass es kein Trinkwasser mehr gibt.»

Niemand spricht davon, dass Bodensee, Rhein und Grundwasser austrocknen könnten. Dementsprechend wurde die Wasserentnahme aus Rhein und Bodensee nie untersagt, nur aus andern Seen und Flüssen.

Martin Eugster, Chef des Amts für Umwelt.

Martin Eugster, Chef des Amts für Umwelt.

Benjamin Manser

Engpässe können aber bei einzelnen Wasserversorgungen vorkommen. Daran wird gearbeitet, indem Redundanzen geschaffen werden, wie Martin Eugster, Chef des Amts für Umwelt, erläuterte. Auch eine Brauchwasserplanung werde erarbeitet. Dazu gehöre beispielsweise ein Leitfaden für den Speicherbau.

Hälfte des Trinkwassers aus Grundwasser

Das Thurgauer Trinkwasser kommt zu 49 Prozent aus dem Grundwasser; der grösste Teil davon aus dem Thurtal. 40 Prozent sind Seewasser, 11 Prozent Quellwasser. Insgesamt werden jährlich 33 Millionen Kubikmeter Trinkwasser gefördert. (wu)

Landwirte stellen sich darauf ein, dass sie sich nicht auf Wasser aus kleineren Seen und Flüssen verlassen können. Sie versuchen sich etwa mit einer Grundwasserbohrung abzusichern. Die Fördergesuche für Bewässerungsprojekte hätten zugenommen, berichtete Walter Schild, Abteilungsleiter Boden- und Pachtrecht.

Walter Schild, Leiter der Abteilung Boden- und Pachtrecht im Landwirtschaftsamt.

Walter Schild, Leiter der Abteilung Boden- und Pachtrecht im Landwirtschaftsamt.

Benjamin Manser

Gesucht seien Pflanzen, die weniger Wasser benötigten. Wassersparende Bewässerungssysteme würden eingesetzt. Die Landwirte stehen laut Schild aber auch unter Druck von den steigenden Qualitätsanforderungen der Grossverteiler respektive Konsumenten. Um ihnen zu genügen, sei eine kontinuierliche Bewässerung nötig.

Nur 10 bis 15 Prozent von Entnahmeverbot betroffen

Für die landwirtschaftliche Bewässerung sind im Thurgau circa 3,2 Millionen Kubikmeter Wasser konzessioniert. Davon stammen nur 10 bis 15 Prozent aus Oberflächengewässern und können von einem Entnahmeverbot betroffen sein. Der Rest stammt zum grössten Teil aus dem Grundwasser, ferner aus Rhein und Bodensee. (wu)

Am erwärmten Wasser leiden laut Roman Kistler, Leiter der Jagd- und Fischereiverwaltung, alle Fischarten. Zu viel werden könnte es aber für Äsche, Bachforellen und Groppen, auch wenn für sie Kältepools bei Einmündungen kühlerer Bäche in den Rhein geschaffen werden. Die Äsche könnte ganz aus dem Mittelland verschwinden, die Bachforelle sich in höhere Regionen zurückziehen. Regelmässig werden auch weniger anspruchsvolle Arten wie Barbe und Nase in Mitleidenschaft gezogen.

Roman Kistler, Leiter Jagd- und Fischereiverwaltung.

Roman Kistler, Leiter Jagd- und Fischereiverwaltung.

Benjamin Manser

Diesen Sommer fanden Badende am Untersee tote Aale im verkrauteten Uferbereich. Wegen der Abbauprozesse der Pflanzen fehlte ihnen der Sauerstoff. «Vor allem in der Nacht kann es schnell kippen», sagte Kistler, «die Aale schafften es nicht mehr weg.»

Die Bevölkerung ist aufgefordert, in Fischrefugien nicht zu baden und Boot zu fahren. Bezüglich Notabfischungen und Umsiedlungen sei die Fischereiverwaltung zurückhaltend, sagte Kistler. Die Betäubung mit Strom sei eine zusätzliche Belastung der Fische.

Daniel Böhi, Kantonsforstingenieur.

Daniel Böhi, Kantonsforstingenieur.

Benjamin Manser

Dass 2021 Föhren abgestorben sind, obwohl es viel Niederschlag gab, erklärt Kantonsforstingenieur Daniel Böhi mit dem Langzeitgedächtnis der Bäume. Die häufigen Wiederholungen trockner Jahre seien für den Wald sehr schlecht. Vor allem ältere Bäume litten darunter. Seit Jahren setze das Forstamt auf Baumarten vor allem aus Südeuropa und dem Balkan, die Wärme besser ertragen.

Unterschiedliche Einschätzungen der Nachbarkantone

Im Sommer 2022 trocknete der Waldboden bis zu einem halben Meter tief aus. Erfreulich war laut Böhi, dass der Wald nicht brannte. Die Bevölkerung habe sich ans Feuerverbot gehalten.

Bei der Beurteilung der Waldbrandgefahr hält es Böhi für sinnvoll, den Thurgau als Einheit zu betrachten. Dies, obwohl es im südlichen Kantonsteil tendenziell mehr Niederschläge gebe als im Rest.

Unterschiedliche Einschätzungen seien der Akzeptanz nicht förderlich, sagte Diezi. Dabei bezog er sich auf die Nachbarkantone, die offensichtlich die Waldbrandgefahr jeweils weniger hoch einstuften als der Thurgau. Er habe das Thema in der Ostschweizer Regierungskonferenz eingebracht.