Startseite
Ostschweiz
Kanton Thurgau
Der Grosse Rat ist gespalten. Für Links-Grün sollten Liegenschaftsbesitzer verpflichtet werden, Solarstrom zu produzieren, um die Energiewende zu schaffen. Für die bürgerliche Mehrheit ist das aber ein zu grosser Eingriff in die Eigentümerrechte. Sie schmettert den Vorschlag ab.
Der Blick aus seiner Wohnung stimmt Simon Vogel nachdenklich. Keiner der vier neugebauten Wohnblöcke in seinem Quartier nutzt Sonnenenergie, stutzt der Kantonsrat der Grünen. «Trotz perfekter Ausrichtung gegen Süden und genügender Dachflächen fehlen Fotovoltaikanlagen auf diesen Gebäuden», sagte Vogel am Mittwoch im Thurgauer Grossen Rat. Für den Frauenfelder ist das ein Missstand.
Er ermahnte seine Ratskollegen:
«Solange solche Dachflächen nicht zur Stromerzeugung genutzt werden, unternehmen wir nicht alles, was unternommen werden muss, um die Energiewende zu schaffen.»
Es brauche hier und jetzt einen massiven Ausbau zur Produktion erneuerbarer Energien. Zusammen mit Erstunterzeichner Marco Rüegg (GLP, Gachnang) und Elina Müller (SP, Kreuzlingen) reichte Vogel deshalb eine Motion ein. Sie verfolgt das Ziel, dass bis 2030 im Kanton 40 Prozent des gesamten Elektrizitätsverbrauchs mit lokal produzierter erneuerbarer Energie abgedeckt werden kann. 2019 lag dieser Wert bei rund 15 Prozent.
Damit der Anteil erneuerbarer Energien merklich ansteigt, sollen Liegenschaftsbesitzer in die Pflicht genommen werden. Sie sollen gemäss den Motionären per Gesetz verpflichtet werden, «auf geeigneten Dach-, Fassaden- und Parkflächen, bei Neubauten sowie an bestehenden Bauten grundsätzlich und flächendeckend Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien» zu installieren. Vogel denkt an jene Flächen, «die wirtschaftlich und technisch optimal erschlossen werden können».
Die konkrete Ausarbeitung der gesetzlichen Grundlage haben die Motionäre offen gelassen, um einen gewissen Spielraum zu bewahren. Dennoch vermochte das Solarstromanliegen die bürgerliche Ratshälfte nicht zu erwärmen. Mit 68 Nein- zu 35 Ja-Stimmen lehnte das Parlament die Motion ab, für die Grüne, SP und GLP geschlossen einstanden.
Ein verordneter Ausbau von Fotovoltaik lasse sich für die FDP nicht rechtfertigen, sagte Beat Pretali (FDP, Altnau). Eveline Bachmann (SVP, Frauenfeld) legte nach, dass Bauherren schon genügend Vorschriften einzuhalten hätten. Ausserdem sei eine derartige gesetzliche Verpflichtung ein Eingriff in die Eigentumsrechte.
Damit argumentierte auch Beda Stählin (Mitte, Frauenfeld). Hausbesitzern dürfe nicht vorgeschrieben werden, wie sie ihr Eigentum zu nutzen hätten. Dieser Entwicklung gelte es entgegenzuwirken. Die Produktion erneuerbarer Energien soll mit gezielten Förderungen und attraktiven Rahmenbedingungen verbessert werden. Bei einer gesetzlichen Verpflichtung habe er staatsrechtliche Bedenken.
Nach Stählins Votum konnte Hanspeter Heeb (GLP, Romanshorn) nicht mehr stillhalten. Er zeigte sich mit aktuellem Blick auf den Krieg in der Ukraine erschüttert:
«Wir überweisen Geld an Staaten, die für Ihre Interessen Leben opfern, weil wir abhängig von fossilen Stoffen sind.»
Ihm komme die Galle hoch, wenn nun staatsrechtliche Bedenken ins Feld geführt werden, weil jemand Sonnenenergie produzieren sollte.
Das Abschlussvotum gehörte Regierungsrat Dominik Diezi, dem neuen Vorsteher des Departements für Bau und Umwelt. Natürlich gelte es, die Versorgungssicherheit zu erhöhen und gleichzeitig bezüglich Klimaschutz weiterzukommen. Es brauche einen Mix an Massnahmen, um diese Herausforderung lösen zu können.
Die Regierung wolle keine Pflicht zur Produktion erneuerbarer Energien einführen. «So weit wollen wir nicht gehen.» Mit dieser Haltung hatte er die Mehrheit des Parlaments hinter sich.