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Ostschweiz
Die Bergbahnen Wildhaus sind gehörig verärgert über den Kanton. Er habe nicht mit offenen Karten gespielt. Mit Folgen für die Wildhauser: Sie müssen ihr Ausbauprojekt erneut verschieben – und die Geldsuche verstärken.
«Wir sind hartnäckig.» Jack Rhyner sagt es sachlich und ruhig an diesem sonnigen Morgen in seinem Büro in Buchs. Doch seine Stimmlage verrät: Dahinter steht eine klare Ansage. Und diese lautet: Weiterkämpfen und nochmals weiterkämpfen. Aufgeben gibt es nicht. Umso überraschender der nächste Satz des Verwaltungsratspräsidenten der Bergbahnen Wildhaus AG: Sie hätten ihre Beschwerde gegen die Regierung beim Bundesverwaltungsgericht zurückgezogen.
Ein Jahr ist es her, seit die Wildhauser Bergbahnbetreiber der Regierung rechtswidriges Verhalten vorgeworfen hatten. Dies, nachdem diese ihr Gesuch um ein Investitionshilfedarlehen von fünf Millionen Franken für einen neuen 6er-Sessellift abgelehnt hatte. Das Volkswirtschaftsdepartement erklärte ihnen dabei unmissverständlich: Solange die Zukunft des gemeinsamen Wintertickets im Obertoggenburg nicht gesichert ist, fliesst kein Geld. Die Wildhauser kochten. Die Auflage der Regierung sei «willkürlich und missbräuchlich». Es werde damit eine Forderung formuliert, welche sie gar nicht erfüllten könnten, da das zweite Unternehmen am Berg nicht gewillt sei, das Ticket weiter mitzutragen. Sie hätten dieses nicht gekündigt; vielmehr habe die Toggenburg Bergbahnen AG die Zusammenarbeit «einseitig» gekündigt.
Die Wildhauser Bergbahnen schluckten den Entscheid denn auch nicht und erhoben beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die «negative» Verfügung aus dem Volkswirtschaftsdepartement. Der Rechtsstreit war bis vor wenigen Tagen hängig – bis das Unternehmen seine Beschwerde zurückzog. «Wir hatten keine Chance», erklärt Rhyner. Auf die Frage, ob diese Einsicht nicht reichlich spät komme, antwortet der Verwaltungsratspräsident: «Das Gericht hätte den Fall zwangsläufig irgendwann 2019 an das Volkswirtschaftsdepartement zurückweisen müssen. Es hätte in der Sache gar nicht entscheiden können.» Denn, so Rhyner, die Regierung habe ihr Projekt materiell gar nie geprüft und auch das zugesicherte externe Gutachten gar nie in Auftrag gegeben.
«Die Regierung liess uns regelrecht auflaufen.»
Rhyners anfängliche Ruhe ist verflogen. Er ist über das Verhalten des Kantons spürbar verärgert. Doch: Wie hat er überhaupt erfahren, dass die Regierung die Prüfung des Ausbauprojekts unterlassen hat? «Es sind Unterlagen und Protokolle aufgetaucht, die dies belegen.» Auf die Frage nach dem Wie und Wo führt er aus: «Das Verfahren wegen unserer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht hat Erstaunliches zutage gefördert.» Nach einer Pause fährt er fort:
«Die Regierung hat nicht seriös gearbeitet. Es wurden uns wichtige Informationen vorenthalten.»
Die Regierung habe hinter seinem Rücken Gespräche mit der Toggenburg Bergbahnen AG geführt. Dabei habe deren Spitze «unmissverständlich erklärt, bei einer Realisierung der Ausbaupläne in Wildhaus komme für sie die vom Kanton verlangte Zusammenarbeit ab der Saison 2019/2020 nicht mehr in Frage», sagt Rhyner. Im gleichen Zeitraum habe die Regierung das zugesicherte Gutachten sistiert – «Zufall oder nicht?», fragt der Verwaltungsratspräsident der Wildhauser Bahnen rhetorisch und fährt fort:
«Es war wohl auch kein Zufall, dass die Toggenburg Bergbahnen AG just ebenfalls zu jener Zeit den Versuch einer feindlichen Übernahme unseres Unternehmens lancierte.»
Die Regierung habe sie als Direktbetroffene weder über die «konkreten Auflagen» des zweiten Bahnunternehmens informiert noch zu einer Stellungnahme eingeladen. «Das rechtliche Gehör wurde uns schlicht verweigert», sagt Rhyner. Und weiter: «Der Kanton machte sich mit seinem Verhalten zum Helfershelfer der Toggenburg Bergbahnen AG.»
Wie reagiert Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor Bruno Damann auf die Vorwürfe der Wildhauser Bergbahnen? «Das Unternehmen hat uns über den Rückzug seiner Beschwerde informiert. Die Gründe dafür sind uns nicht bekannt.» Das Gesuch sei somit erledigt. Auf die Frage, ob die finanzielle Unterstützung durch den Kanton damit definitiv vom Tisch sei, antwortet er klipp und klar:
«Die Regierung hat ihre Meinung nicht geändert. Es bleibt dabei: Das Darlehen gibt es nur, wenn eine minimale Zusammenarbeit zwischen den Bergbahnen vorhanden ist.»
Da es keine Indizien dafür gebe, habe sich auch eine Prüfung des Wildhauser Projekts erübrigt, so Damann.
Im Sommer bereits hatte der Bund seinen Vermittlungsversuch im Toggenburger Bergbahnenstreit aufgegeben. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) stoppte die Gespräche – ohne Resultat. Die Positionen der beiden Unternehmen lägen zu weit auseinander, begründete es seinen Schritt. «Wir bedauern diese Entwicklung sehr», sagt Volkswirtschaftsdirektor Damann. Und wie reagiert er auf den Vorwurf, die Regierung habe sich von den Toggenburger Bergbahnen instrumentalisieren lassen? «Ich nehme diese Feststellung von Jack Rhyner zur Kenntnis», sagt Damann. Die Haltung der Regierung sei «seit Jahren unverändert und wurde den Wildhauser Bergbahnen bereits vor der Verfügung schriftlich wie auch mündlich mitgeteilt». Zu den angeblichen «Geheimtreffen» sagt Damann: Es hätten Gespräche sowohl mit den Toggenburger wie mit den Wildhauser Bergbahnen stattgefunden. Es habe auch gemeinsame Gespräche gegeben.
«Für eine Zusammenarbeit braucht es immer mehrere Parteien.»
Der Rückzug der Beschwerde trifft die Wildhauser hart. Sie sind gezwungen, den Start ihres Ausbauprojekts – die Rede ist von Investitionen von 15 Millionen Franken – um mindestens ein weiteres Jahr zu verschieben. Baustart ist neu frühestens im Frühling 2020. Ob es dann tatsächlich losgeht, steht in den Sternen. Die baulichen Bewilligungen des Kantons liegen vor – allein es fehlt das Geld.
«Wir intensivieren die Investorensuche», sagt Rhyner. Einfach wird die Geldsuche nicht. Das weiss auch der Verwaltungsratspräsident. Er sagt denn auch: «Es ist uns trotz grosser Anstrengungen in den vergangenen Monaten nicht gelungen, die vom Kanton blockierten Gelder durch alternative Finanzierungsmodelle zu kompensieren.» Doch Rhyner gibt sich kämpferisch wie eh und je:
«Wir unternehmen alles, um dem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen.»
Hat er die finanzielle Hilfe des Kantons definitiv abgeschrieben? Er zögert und sagt dann: «Wir nähmen das Geld nach wie vor gerne.» Um gleich einen Appell an den Kanton nachzuschieben: «Wir fordern die Regierung mit Nachdruck auf, ihrem Auftrag als Wirtschaftsförderin künftig wieder nachzukommen. Der regierungsrätlich erzwungene Investitionsstopp schadet der Weiterentwicklung des Toggenburgs. Das Tal hat eine Zukunftsperspektive verdient.»