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Ostschweiz
Die St. Galler Politik ist im Wahljahr 2020 wie erwartet grüner, linker und weiblicher geworden. Doch Kantonsrat und Regierungsrat bleiben bürgerlich dominiert.
Nach der «Klimawahl» ins nationale Parlament bestätigten die kantonalen St. Galler Wahlen am 8. März den schweizweiten Trend: Die ökologischen Parteien waren die grossen Gewinner, Grüne und Grünliberale legten um je vier Sitze zu. «Wir haben die Glasdecke durchbrochen», freute sich der Präsident der St. Galler Grünen, Thomas Schwager, über den Sprung von fünf auf neun Kantonsratssitze und die somit locker erreichte Fraktionsstärke. Die blieb der GLP verwehrt – ein Wermutstropfen, der sich mit einem erfolglosen (grünen) Vorstoss für kleinere Fraktionsgrössen nicht beseitigen liess.
Wahlverlierer war klar die rechtsbürgerliche Seite: Die SVP büsste fünf Sitze ein, die FDP deren vier. Trotzdem bleibt die SVP mit Abstand stärkste politische Kraft und ist der Kantonsrat weiterhin bürgerlich dominiert. Wenn sich SVP (35 Sitze), CVP (27) und FDP (22) zusammenraufen, kommen sie auf 84 von 120 Sitzen.
Dieser Schulterschluss ist aber eine wacklige Turnübung, wenn nicht hohle Behauptung, wie die SVP nach dem zweiten Regierungswahlgang am 19. April schimpfte. «Schwer enttäuscht» zeigte sich ihr Präsident Walter Gartmann von den Partnern FDP und CVP, und Toni Brunner befand gar, das bürgerliche St. Gallen habe versagt.
Der Grund für den Ärger war der erneut verpasste zweite Sitz in der Regierung: Die SVP unterlag dabei mit ihrem «besten Mann» und bestplatzierten Nichtgewählten im ersten Wahlgang, Fraktionschef Michael Götte, dem FDP-Kandidaten Beat Tinner und der SP-Frau Laura Bucher. Die gehaltenen zweiten Sitze freuten die beiden Parteien auch als Trost für ihre Verluste im Kantonsrat. Die SP hatte da zwar nur zwei Sitze eingebüsst, aber mit Max Lemmenmeier ihren Präsidenten und mit Etrit Hasler einen ihrer originellsten Köpfe verloren.
Weil die CVP den Sitz Benedikt Würths auf Anhieb mit Susanne Hartmann besetzen konnte, hat die Regierung endlich zwei Frauen statt wie bisher nur eine (Heidi Hanselmann). Von wegen «Frauenwahl»: Tatsächlich sitzen im Kantonsrat seit Juni 32 Frauen, 11 mehr als bisher, immerhin eine Steigerung des Frauenanteils von einem Sechstel auf einen guten Viertel. Die überregional meist beachtetste Wahl einer St. Gallerin sollte jedoch im Herbst folgen: Maria Pappa (SP) ist die erste Stadtpräsidentin in der Kantonshauptstadt.