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Ostschweiz
Das Bundesamt für Statistik hat erhoben, wo die Leute wohnen und wo sie arbeiten. Die Mobilität hat in den letzten Jahren zugenommen – allerdings arbeiten immer noch viel mehr Ostschweizer ausserhalb ihres Wohnkantons, als Arbeitskräfte von ausserhalb zu uns kommen.
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Rund ein Drittel aller Thurgauer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überschreitet auf ihrem Arbeitsweg die Kantonsgrenze. Dies geht aus der Mobilitätsstatistik des Bundesamts für Statistik (BFS) hervor. Umgekehrt sind es weniger Arbeitskräfte, die in den Kanton Thurgau kommen, um hier zu arbeiten. Oder statistisch ausgedrückt: Der relative Pendlersaldo, also Zupendler minus Wegpendler, beläuft sich auf -16.9 Prozent. Es sind also mehr Menschen, die zum Arbeiten den Kanton verlassen, als Leute, die in den Thurgau pendeln, um hier zu arbeiten. Ähnlich sieht es für die beiden Appenzeller Kantone aus. Der Kanton St.Gallen weist mit +0.7% hingegen einen positiven Wert auf.
Die Statistik des BFS, die seit kurzem Daten auf Gemeindeebene von 2018 beinhaltet, lässt damit einen genaueren Blick auf die Kommunen zu: Generell lässt sich sagen, dass kleinere, ländliche Gemeinden, die trotzdem nahe an einem Zentrum liegen, typische Wohngemeinden sind. Zum Beispiel die Gemeinden Wilen (TG) und Salmsach, oder auch Rorschacherberg: Rund 90% der Einwohner arbeiten ausserhalb der Gemeinde. In den Städten St.Gallen (31.5%) oder Frauenfeld (48%) sinkt dieser Wert merklich.
Anhand der Einfärbung der Karte lässt sich gut erkennen, wie stark die Wirtschaftszentren St.Gallen und Zürich Auswirkungen auf die gesamte Ostschweiz haben.
In den meisten Gemeinden kommen die Arbeitnehmer aus dem jeweiligen Wohnort. Doch auch hier erkennt man den grossen Einfluss der beiden Städte St.Gallen und Zürich. Arbeitnehmer, welche aus einem anderen Kanton kommen, stammen meist aus der angrenzenden Region. Es gibt aber auch Ausnahmen. So ist die grösste ausserkantonale Gruppe in Rüthi (SG) aus dem Kanton Thurgau. Und in Uzwil und Oberuzwil pendeln am meisten Zürcher in die Gemeinde.
Laut Timo Ohnmacht, Verkehrssoziologe an der Hochschule Luzern, hat der durchschnittliche Arbeitsweg von Herr und Frau Schweizer in den letzten Jahren zugenommen. Er sagt:
«Das hat hauptsächlich mit dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel zu tun. Mit der Umsetzung des Projekts Bahn 2000 haben die Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort sprunghaft zugenommen.»
Laut einer Studie seien viele Arbeitnehmer bereit, bis zu einer Stunde Arbeitsweg auf sich zu nehmen, danach sinke die Bereitschaft merklich. «Mit den öV kommt man heute viel weiter als noch vor 50 Jahren, während sich die Distanz mit dem Auto weniger stark verändert hat.»
Seit dieser Entwicklung ist das Pendel-Verhalten der Schweizer mit jenem im nahen Ausland zu vergleichen, sagt Ohnmacht. «Besonders das Pendeln von Stadt zu Stadt, etwa zwischen Bern und Zürich, ist in der Schweiz ein verbreitetes Phänomen.»
Künftig könnte der durchschnittliche Arbeitsweg aber auch wieder abnehmen: «Unsere Untersuchungen zeigen, dass besonders im Dienstleistungssektor flexiblere Arbeitsmodelle zum Einsatz kommen. Auch Homeoffice und Coworking haben zugenommen und werden wohl weiter zunehmen», erklärt Ohnmacht. Unter Coworking versteht man Arbeitsformen, bei denen der Arbeitnehmer nicht zu Hause, aber auch nicht in einem klassischen Büro arbeitet, sondern in einem Raum, der von mehreren Firmen nach Bedarf genutzt werden kann. «Man begibt sich zum Arbeiten aus seiner Wohnung, so dass man nicht mehr durch dreckiges Geschirr oder die Kinder abgelenkt wird.» Die Coworking-Räume sollen den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, die nötige Arbeits-Infrastruktur nahe am Wohnort vorzufinden.
Ein weiterer Faktor ist die zunehmende Teilzeitarbeit. Laut den Untersuchungen von Ohnmacht sind Leute, die nur zwei oder dreimal pro Woche arbeiten, bereit, einen längern Arbeitsweg in Kauf zu nehmen – so wird weniger oft, aber über längere Distanzen gependelt.
Man mag es nicht mehr hören, doch Corona hat unser Leben nachhaltig verändert. Das Virus machte vieles, was davor selbstverständlich war, schwierig bis unmöglich. So ärgerlich das sein kann, so interessant können Erkenntnisse und Vergleiche sein, die man aus gesammelten Informationen und Daten seit Beginn der Pandemie gewinnen kann.
Google hat Mitte Februar den sogenannten «Mobility Report» veröffentlicht. Dieser vergleicht Bewegungsdaten der häufigsten Aufenthaltsorte der Bevölkerung aus dem neuen Jahr mit denen aus dem Vorjahr. Daraus lässt sich ablesen, dass sich die Aufenthaltsorte von Ostschweizerinnen und Ostschweizern innerhalb eines Jahres teils grundlegend verändert haben. «Aufgrund der Einschränkung unserer Mobilität ergeben sich neue Bewegungsmuster. Wir beschränken unsere Alltagsmobilität oder lenken diese um», erklärt Hans-Peter Kleebinder, Studienleiter am Institut für Mobilität der Universität St.Gallen.
Google hat seinen Mobilitätsbericht jeweils in sechs Kategorien unterteilt: «Einzelhandel und Freizeit», «Läden für den täglichen Bedarf», «Parks», «Bahnhöfe und Haltestellen», «Arbeitsstätten» sowie «Wohnorte».
Zuerst fällt der krasse Beliebtheitssprung von öffentlichen Parks im Vergleich zu Anfang 2020 auf. Die Kategorie «Parks» hat im Kanton St.Gallen um satte 122 Prozent zugelegt, die Bevölkerung hat also mehr als doppelt so viel Zeit in Parks verbracht als noch im Vorjahr. Im Kanton Thurgau ist diese Kategorie gar um 194 Prozent angestiegen. Hingegen fällt die Kategorie «Einzelhandel und Freizeit» im Vergleich zum Vorjahr sowohl in St.Gallen (-45%) als auch im Thurgau (-40%) ab.