Die St. Galler Gemeinden haben in Widnau ihr Konzept der kostenlosen Deutschkurse für Migranten vorgestellt. Es stützt sich auf ein Modell, das sich in Deutschland und Österreich bewährt haben soll.
In kostenlosen Starterkursen sollen Migrantinnen und Migranten in den St. Galler Gemeinden in Zukunft Deutsch lernen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Freiwillige. Der Verband der St. Galler Gemeindepräsidenten (VSGP) unterstützt die lokalen Angebote mit 5000 Franken pro Jahr. Der VSGP und weitere Beteiligte stellten das Konzept gestern in Widnau vor. Am Anfang sollen Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene während 60 Stunden einen Intensivkurs besuchen, bei dem die mündliche Kommunikation im Alltag eingeübt wird.
Der VSGP stützt sich dabei auf das Konzept «Neues Lernen» der Stiftung Liechtenstein Languages (LieLa), das sich bereits in Deutschland und Österreich bewährt hat, wie die Verantwortlichen erklärten. In Zusammenarbeit mit LieLa werden derzeit fünf Sprachtrainerinnen und -trainer ausgebildet. Diese sollen in allen Gemeinden freiwillige Kursleiterinnen und Kursleiter ausbilden. Diese wiederum führen dann in sogenannten Quartierschulen die lokalen 60-stündigen Intensivkurse durch. Das Konzept und zahlreiche Materialien stammen von LieLa. In Widnau ist ein solcher Kurs mit 16 Teilnehmenden bereits im Gang.
Unterrichtet wird jeweils für drei Stunden am Morgen von Montag bis Freitag während vier Wochen. «Die Leute sind jeden Tag voll motiviert», sagte Daniela Graf, Ansprechperson für Gemeinden und Kursleiter beim VSGP. Im Kurs, der sich auch für Analphabeten eignet, wird auch miteinander gespielt.
Es sei erstaunlich, wie die Gruppen zusammenwachsen, erklärten die Beteiligten. «Ein erster Kurs, um sich verständigen zu lernen, geht nur intensiv», sagte Walter Noser, Präsident des Liechtensteiner Vereins Neues Lernen, von dem das Konzept stammt. Dieses habe sich in den Nachbarländern bereits gut bewährt. Auch Roger Hochreutener, Geschäftsführer des VSGP und Gemeindepräsident von Eggersriet, setzt grosse Hoffnungen auf das Kurskonzept. Der VSGP unterstützt die lokalen Angebote in den Gemeinden mit 5000 Franken pro Jahr und einem «Kurskoffer». Die Beiträge sind auf 1,50 Franken pro Einwohner und Jahr beschränkt.
Die bisherige Finanzierung von Deutschkursen für Flüchtlinge durch die Gemeinden und den Kanton läuft im Sommer aus. 2016 hatten die Gemeinden rund 1,8 Millionen und der Kanton 800000 Franken dafür bezahlt. Die Kurse wurden von professionellen Sprachschulen erteilt. Im vergangenen Herbst kündigte der VSGP seinen Ausstieg aus der bisherigen Finanzierung an (unsere Zeitung berichtete).
Hochreutener räumte gestern in Widnau ein, dass wohl nicht alle Gemeinden bereits ab August die neuen Starterkurse anbieten werden. Es sei aber im Interesse der Gemeinden, aktiv beim Konzept des VSGP mitzumachen. Bei der Ausbildung der Sprachtrainer beteiligt sich auch der Trägerverein Integrationsprojekte (TISG).
«Es ist wichtig, dass jede Gemeinde mitmacht», betonte Hochreutener. Der VSGP biete den Gemeinden einen Baukasten an, die konkrete Ausgestaltung der Kurse liege aber in der Verantwortung der Gemeinden. Diese könnten auch bestehende Strukturen nutzen, wie etwa jene des Solidaritätsnetzwerks Ostschweiz.
Aufbauend auf die Starter-kurse, sollen in den Gemeinden später weitere Deutschkurse stattfinden. Die Finanzierung ist zum Teil unklar. Der Bund leistet Integrationsbeiträge nur für anerkannte Flüchtlinge, und der Kanton hat laut VSGP seine Beiträge auf 400 Deutschlektionen reduziert. «Mit 400 Lektionen lernt man nicht Deutsch», sagte TISG-Präsident Patrik Müller. Um Deutsch zu lernen, brauchen die meisten Migrantinnen und Migranten 800 bis 1000 Lektionen.
Michael Nyffenegger (SDA)