Der Kanton St. Gallen hat das angestrebte CO2-Ziel deutlich verfehlt. Jetzt soll er mit einem Sonderkredit den Ersatz fossiler Heizungen vorantreiben – allerdings nicht mit neuen Vorschriften.
In knapp einem Monat trifft sich das St.Galler Kantonsparlament zu einer ganztägigen Klimadebatte. Bereits liegt ein ganzer Stapel parlamentarischer Anliegen und Vorstösse vor. Als Grundlage der Debatte dient der Bericht der Regierung über die Umsetzung des kantonalen Energiekonzepts 2008 bis 2020; dieses Bilanzpapier liegt seit Ende April vor.
Nun schlägt die vorberatende Kommission einen ersten Pflock ein: Sie schlägt eine Kampagne zum beschleunigten Ersatz fossiler Heizungen vor. Die Regierung soll dafür von 2020 bis 2023 einen Sonderkredit von zehn Millionen Franken bereitstellen. Damit sollen Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer finanziell unterstützt werden, die ihre Ölheizung durch eine Luftwärmepumpe oder eine Wärmepumpe mit Erdsonde ersetzen. Weiter sind Beiträge an die Betreiber von Wärmenetzen vorgesehen.
Auf die Frage, weshalb die Kommission bei den Heizungen den Hebel ansetzt, antwortet Präsidentin und CVP-Kantonsrätin Barbara Dürr: Der Kanton habe das im Energiekonzept angestrebte CO2-Ziel «deutlich» verfehlt. Deshalb soll dort angesetzt werden, wo mit Massnahmen rasch Verbesserungen erzielt werden können – und dies sei mit «der Kampagne zum beschleunigten Ersatz fossiler Heizungen» gegeben, sagt Dürr. Bei den bestehenden Bauten gebe es viel Potenzial zur Verminderung der CO2-Emissionen.
Der Bericht der Regierung zeigt nämlich: Jedes Jahr werden im Kanton St.Gallen zwischen 4000 und 4500 fossile Heizungen ersetzt – 80 Prozent davon wieder durch eine fossile Heizung. Ziel der Kampagne: Bis 2023 soll die Hälfte der Investoren und Hauseigentümer, die einen Heizkessel ersetzen müssen, sich für ein erneuerbares Heizsystem entscheiden. Also beispielsweise für eine Wärmepumpe oder eine Pelletheizung.
Mit dem Sonderkredit soll deshalb vor allem auch mehr Geld in die Beratung und Aufklärung fliessen. Denn hinter dem 1:1-Ersatz steckt nicht allein Ignoranz gegenüber Klima- und Energiefragen. In vielen Fällen seien die Hauseigentümer schlicht «ungenügend oder gar einseitig» informiert. Häufig würden die einmaligen Investitionskosten gegenüber den jährlich wiederkehrenden Betriebskosten deutlich stärker gewichtet, so die Regierung (siehe Grafik).
Und: Darüber hinaus sei auch «ein ernsthaftes Engagement» der Branche nötig. Das Anliegen der vorberatenden Kommission knüpft beim nationalen Beratungsprogramm «erneuerbar heizen» an. Es dürfte daher nicht allein beim Sonderkredit von zehn Millionen bleiben; der Kanton kann auf zusätzliche 20 Millionen vom Bund hoffen.
Insgesamt stünden so 30 Millionen parat, um den fossilen Heizungen im Kanton den Garaus zu machen. Heute geben allein die Haushalte im Kanton jährlich rund 300 Millionen Franken für den Kauf fossiler Energie aus. Die Kommission schreibt denn auch: «Mit der Kampagne kann der Mittelabfluss ins Ausland um 130 Millionen vermindert werden.»
Dürr spricht sich aber gegen Verbote aus. «Der Kanton kann keinem Hausbesitzer befehlen, ein umweltverträglicheres Heizsystem zu installieren, die Liegenschaft besser zu isolieren und die undichten Fenster zu ersetzen», sagt sie. Aber er könne Beratung und Aufklärung betreiben. «Und er kann seine Vorbildfunktion bei kantonalen Bauten ernst nehmen.» Als aktuelles Beispiel nennt die Gamser Kantonsrätin das Landwirtschaftliche Zentrum in Salez, dessen Schulneubau heute eingeweiht wird. Zwischen dem Zentrum und der Strafanstalt Saxerriet besteht ein Wärmeverbund.
Der geforderte Sonderkredit ist nur ein Schritt zur Verbesserung der CO2-Bilanz des Kantons. «Damit ist es nicht getan», sagt Dürr. Doch ebenso klar sei: Die Einflussmöglichkeiten des Kantons seien begrenzt. So könne er beispielsweise den öffentlichen Verkehr fördern. «Aber die Frage, wie oft er den Zug tatsächlich benutzt und wie oft er dennoch ins Auto steigt, muss jeder für sich beantworten», sagt die Kommissionspräsidentin. «Der Kanton kann dem Einzelnen weder vorschreiben noch befehlen, wie er sich zu verhalten hat.» Das Parlament berät die Vorlage am 13. Juni; es ist eine einzige Lesung geplant.
Bis ins Jahr 2020 sollten im Vergleich zu 1990 20 Prozent weniger CO2-Emissionen ausgestossen werden. Dieses Energieziel verpasst der Kanton St. Gallen deutlich. Die Gründe: Die CO2-Emissionen stiegen bis ins Jahr 2000 weiter um mehr als zehn Prozent an. Und: Die Bevölkerung hat zwischen 1990 und 2017 um 20 Prozent zugenommen.
Im Jahr 2020 wird der Anteil erneuerbarer Energien 18 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs ausmachen. Damit verpasst der Kanton St.Gallen das gesetzte Ziel von 20 Prozent nur knapp. Der Gesamtenergieverbrauch soll um 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010 gesenkt werden.
Der jährliche Strombedarf soll bis zum Jahr 2020 nur noch leicht, um acht Prozent im Vergleich zum Jahr 2010 steigen. Diese Vorgabe scheint machbar. Das Ziel, die Stromproduktion aus regionalen neuen erneuerbaren Energien bis im Jahr 2020 auf 400 Millionen Kilowattstunden zu steigern, erreicht der Kanton St. Gallen knapp.