Der Degersheimer Hausarzt Hansueli Schär hat nach seiner Pensionierung ein medizinisches Zentrum auf den Philippinen aufgebaut. Nach dem Abschluss des Projekts packt er bereits ein neues an.
Michael Hug
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«Es ist ziemlich anstrengend, nach Mabilong zu gelangen», sagt Hansueli Schär. Der 72-jährige Degersheimer Hausarzt im Ruhestand ist kürzlich von einer Inspektionsreise auf der philippinischen Hauptinsel Luzon zurückgekehrt. «Die Fahrt von Manila in den Norden der Insel, wo der Stamm der Kalinga lebt, ist beschwerlich. Er führt durch unwegsames Gelände und Dschungelgebiete.» Ausserdem leben in den philippinischen Kordilleren noch Urvölker, die sich erst in jüngster Zeit von der Kopfjägerei losgesagt haben. «Ich jedenfalls würde mich nicht ohne einheimische Begleitung vom Dorf entfernen», sagt Schär.
Schär war wegen des Health Centre Mabilong auf den Philippinen. Das Gesundheitszentrum war eine Vision des Nesslauer Vereins Luminawa. Fast zehn Jahre wurde geplant, abgeklärt und diskutiert, schliesslich gebaut, instruiert und begleitet. Nun ist der Traum für die Einwohner von Mabilong endlich in Erfüllung gegangen. «Man könnte das alles in sehr viel kürzerer Zeit machen. Einfach ein Haus hinstellen, es ausrüsten und dann sagen: Nehmt es und betreibt es», sagt Schär. «Doch das Haus würde innert kürzester Zeit vergammeln oder zweckentfremdet.» Dass der Betrieb nun aber funktioniert, davon hat sich Schär auf seiner Reise vor einem Monat überzeugen lassen. Mabilong hat nun ein Gesundheitszentrum zur medizinischen Grundversorgung.
Hansueli Schär ist seit sieben Jahren pensioniert. Er war Hausarzt in Nesslau und Degersheim mit Spezialisierung auf Traditionelle Chinesische Medizin. Nach der Pensionierung seine Hände in den Schoss zu legen, war für ihn undenkbar. So hat er sich schon früh beim Projekt Luminawa auf den Philippinen engagiert. Luminawa ist der Name eines Vereins aus dem Toggenburg, der vom Komponisten Peter Roth vor über 20 Jahren gegründet wurde. Schär: «Der Verein sah den Bedarf für ein Gesundheitszentrum in diesem Dorf und wollte sich engagieren. Es war klar, dass ich meine Kompetenzen da einbringen will.» Seither ist der Degersheimer zehnmal in Mabilong gewesen.
«Ein solches Projekt muss man zusammen mit den Einwohnern machen», sagt Schär. «Man muss das Bewusstsein wecken, dass ihnen etwas gemeinsam gehört und dass sie es gemeinsam verwalten dürfen, ja müssen.» Was in den Dörfern draussen im Urwald der Philippinen manchmal vor sich gehe, sei schon bisweilen absurd, sagt Schär und erzählt eine Anekdote: «Es kam vor, dass die Provinzregierung medizinische Geräte einkaufte und in die Spitäler schickte. Doch das waren hochsensible Diagnosegeräte, die niemand bedienen kann und nur in wenigen Fällen eingesetzt werden können.» Eine Ärztin habe ihm gesagt, sie wäre nur schon froh, wenn sie ein zweites Stethoskop und ein Blutdruckmessgerät hätte.
Das neue Gesundheitszentrum Mabilong ist weder Spital noch Hausarztpraxis, erläutert Schär: «Es ist eine Anlaufstelle, in der alltägliche Verletzungen und Krankheiten diagnostiziert und behandelt werden können. Schwierigere Fälle müssen ins nächstgelegene Ambulatorium oder Spital überwiesen werden.» Solche Alltagskrankheiten seien zum Beispiel Störungen am Bewegungsapparat wegen der schweren Arbeiten in den Feldern sowie Schnittwunden und Entzündungen an den Füssen, «weil die Menschen bei allem, was sie tun, nur einfache Sandalen tragen». Zudem erbringe die Krankenschwester auch Spitexleistungen und biete Geburtshilfe, Mütterberatung und Unterstützung bei staatlichen Impfprogrammen.
Das Gesundheitszentrum belegt in einem neu gebauten Haus die Parterre-Etage. Im zweiten Stock sind Mehrzweckräume eingerichtet, die der Dorfgemeinschaft dienen. Laut Schär gibt es einen Raum für Versammlungen, Ausbildung und Information, Therapie-Gymnastik oder Sitzungen. «Wir haben ihn mit minimalen technischen Einrichtungen ausgerüstet.» Konzipiert und gebaut haben das Haus einheimische Handwerker; gekostet hat es 35000 Franken – für Neubau, Einrichtungen und Landparzelle. Die Summe hat der Verein Luminawa mit Spenden und Zuwendungen aufgebracht. Der Verein übernimmt auch den Lohn der Krankenschwester – 2400 Franken pro Jahr.
Nun, da der Betrieb zufriedenstellend läuft, macht sich Hansueli Schär ans nächste Projekt: Komposttoiletten. «Wir möchten jedes Haus mit einer Toilette ausrüsten. Denn so etwas gibt es bis jetzt nicht. Man geht einfach in den Wald.» Ein Kompostsystem aus Skandinavien sei erprobt, so Schär. «Wir möchten nun einen Bausatz entwerfen, mit dem die Handwerker im Dorf selber Toiletten bauen können.»