Der Affeltranger Hans Jürg Gnehm, der einzige Glockenexperte der Schweiz, ist dem Ruf der Kirchenglocken verfallen. Er kennt ihre biblische Botschaft, die sie ins Land hinaustragen.
F, A, C und F aus der Melodie «Vom Aufgang der Sonne»: Bald ruft das besondere Geläut der Glocken der evangelischen Kirche Rorschach wieder zu den Weihnachtsgottesdiensten. Es gehört zu einer besinnlichen Festtagsstimmung dazu. Die evangelischen Rorschacher haben ihrer grössten Glocke den Spruch verliehen: «Ich trage Vadiani Namen, zu loben Jesum Christum. Amen.» Ein Hinweis darauf, dass Glocken früher als eigene Persönlichkeiten wahrgenommen wurden.
Der Affeltranger war der erste Schweizer Glockenexperte und ist heute der wohl bekannteste: Als Sachverständiger für Landeskirchen und Denkmalpflege ist er seit Jahrzehnten und über seine berufliche Pensionierung als Diakon hinaus zur Stelle, wenn eine Glocke restauriert oder ersetzt werden muss. Der musikalische Glockenvirus hat Gnehm schon als Kind befallen, sein Grossvater war als Sigrist im zürcherischen Tösstal für die Kirchenglocken zuständig. Die Faszination hat sich auf den Enkel übertragen: Für den 65-Jährigen sind Glocken ein Kulturgut, «das nicht im Museum zu finden ist, sondern täglich genutzt wird». Er muss es wissen, hat er doch den Bestand von Hunderten von Kirchenglocken in den Kantonen Obwalden, Glarus und in der Ostschweiz aufgenommen.
Nach «Zusammenklang», dem Konzert der 118 Glocken der 29 Kirchen über den Dächern St. Gallens im August 2016, hat Gnehm auch sämtliche Kirchenglocken der Stadt St. Gallen für die städtische Denkmalpflege inventarisiert – zu finden im gleichnamigen Buch bei der Verlagsgenossenschaft St. Gallen.