Zwei Zeugen belasten im Prozess Kümmertshausen einen der Angeklagten. Sie sind nicht frei von Widersprüchen. In einem abgehörten Telefongespräch soll Heroin eine Rolle gespielt haben.
Ida Sandl
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Der Monsterprozess Kümmertshausen ist immer für Überraschungen gut. Gestern tauchten zwei Zeugen auf. Sie entlasten einen der Beschuldigten, lassen einen anderen aber in einem schlechten Licht dastehen. Doch auch sie selber sind nicht frei von Widersprüchen.
Der ältere der beiden Zeugen ist ein höflicher Mann mit tiefschwarzen Haaren und einer hohen Stirn. Er stammt aus einem Dorf irgendwo in der Türkei, gleich neben dem Ort aus dem auch der 54-jährige D. kommt, einer der Angeklagten im Fall Kümmertshausen. Der Zeuge kennt ihn und seine ganze Familie. Er kennt aber auch den 48-jährigen B., einen anderen Be- schuldigten in diesem Monsterprozess, bei dem insgesamt 14 Männer vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen angeklagt sind.
B. hat seinen Mitbeschuldigten schwer belastet. Er hat ausgesagt, D. soll am gewaltsamen Tod des IV-Rentners aus Kümmertshausen beteiligt gewesen sein. Für ihn fordert die Staatsanwaltschaft deshalb auch 15?Jahre wegen vorsätzlicher Tötung. B. wird dagegen nur Gehilfenschaft zur vorsätzlichen Tötung vorgeworfen.
Doch was die Zeugen gestern vor Gericht aussagten, wirft ein schlechtes Licht auf B. Die Freiheit von D. «liegt zwischen meinen Lippen», habe er ihnen eröffnet, als sie sich zufällig in einem der Cafés der türkisch-kurdischen Szene in St. Gallen getroffen hätten. Diese türkische Redewendung bedeutet: Es liegt in meiner Macht. D. müsse dafür aber Opfer bringen. Die beiden Zeugen, die das gehört haben, sind beste Freunde. Sie machten gestern fast wortwörtlich die gleiche Aussage. Nachgefragt, was das bedeuten solle, will aber keiner von ihnen haben. Er sei zwar geschockt gewesen, habe sich aber keine weiteren Gedanken gemacht, sagt der eine. «Diese Sache interessiert mich nicht, deshalb habe ich auch nicht darüber nachgedacht.» Beide beteuerten, sie hätten mit niemandem darüber geredet, auch nicht untereinander.
Der Staatsanwalt bringt dann noch das Protokoll eines abgehörten Telefongesprächs ins Spiel. Dabei soll der Zeuge eine Tochter von D. angerufen haben. «Zucker, Zucker», sagt der Anrufer im Protokoll. Die Tochter fragt nach, welchen Zucker. Darauf der Anrufer: «Der im Beutel.» Der sei in der Reisetasche, erklärt die Tochter. Der Zeuge bestreitet, dass er der Anrufer gewesen sei, er hätte nie ein Telefongespräch über Zucker geführt.
Ob er wisse, dass Zucker der umgangssprachliche Begriff für Heroin sei, will der Staatsanwalt wissen. «Nein», sagt der Zeuge, und lächelt nicht mehr. «Das liegt nicht in meinem Interessensgebiet, und darum kenne ich diese Begriffe nicht.»