Geheimsache Genuss

ST.GALLEN. Vor dem Haupteingang zur Olma steht ein Ess-Stand neben dem andern. Als ob man die Gäste vor dem Eintritt in die Messe noch verpflegen müsste. Um die Mittagszeit hält hier jedermann seine Wurst in der Hand, so gerade wie eine Kerze.

Josef Osterwalder
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Messen machen Lust auf Essen; gestern an der Olma. (Bild: Reto Martin)

Messen machen Lust auf Essen; gestern an der Olma. (Bild: Reto Martin)

ST.GALLEN. Vor dem Haupteingang zur Olma steht ein Ess-Stand neben dem andern. Als ob man die Gäste vor dem Eintritt in die Messe noch verpflegen müsste. Um die Mittagszeit hält hier jedermann seine Wurst in der Hand, so gerade wie eine Kerze. «So, jetzt noch ein Apfel zum Dessert», sagt ein Gast, «Hommage an die Gesundheit!»

Flammendes Bekenntnis

Was bietet die Olma gastronomisch? «Tradition», sagt ein alteingesessener St. Galler kurz und bündig. «Ich war schon bei der ersten Olma vor 66 Jahren dabei; geändert hat sich seither kaum etwas.»

Das gehört zum Erfolgsrezept. Auch wenn die Messerestaurants wie Moststube, Schneebesen, Grotto Ticinese ihren Standort immer wieder gewechselt haben, Namen und Angebote sind geblieben. Die Messe ist ein flammendes, grilliertes Bekenntnis zur Tradition, zu Bratwürsten und Röschti bei den Lokalmatadoren, zu Risotto, Brasato, Luganighetta, Fondue, Raclette oder Hirschpfeffer bei den Gästen.

Nagen wie bei Tarzan

Doch auch Neuheiten schleichen sich ein. Auf dem Grill landen Plätzli, die heute wie in Österreich «Schnitzel» heissen. Daneben tropft das Fett aus amerikanischen «Spareribs». Bestimmt sind sie für zwei junge Frauen, die Rippe um Rippe abnagen; wie beim Urwaldlunch im Hause Tarzan. Neu auch der Name «Take away» am Grillstand. Und bald wird es wohl die «Bratwurst to go» geben.

Neu sind auch die Düfte, die einem durch die Hallen 4 und 5 begleiten. Seit nicht mehr geraucht wird, wehen sie differenzierter. Es gibt Bereiche, in denen einem eine ganze Fleischplatte in die Nase steigt, wenig später tritt man in eine atmosphärische Käsewolke ein. Sie führt zu den Fondue-Brötchen eines St. Galler Bäckers oder zu den Appenzeller Käseschnitten hin.

Im Haus der Verführung

Aus was dieses appenzellische Duftbouquet besteht? «Streng geheim!», heisst die Antwort. Genauso aufschlussreich ist die Auskunft am dicht umlagerten Stand mit der Ochsenbouillon: «Geheimrezept!» Und die Assemblage des Walliser Winzers, die wie eine Blume im Mund aufgeht? «Unser Geheimnis», sagt die Winzerin. Genuss ist Geheimsache.

Besondere Tapferkeit braucht es beim Durchwandern der Halle 9.1. Brezel, Knoblauchkäse, Biskuits, Biber, Salami, Apfelschnitze liegen samt hundert anderen Verführungen zum Degustieren bereit. Wer hier sein Portemonnaie nicht eisern im Zaum hält, kommt mit einer Wagenladung von regionalen Delikatessen heim.

Die Nahrungsmittelkette

Ebenfalls belagert ist der Stall. Dutzende schauen der hellhäutigen Floride aus dem Waadtland zu, die genüsslich einen Grasball im Maul hin- und herschiebt. Derweil verköstigt sich Kälbchen Villars mit Milch aus dem Euter. Und im Gleichtakt mit Floride kauen die Zuschauer ihre Kalbsbratwürste. Die Nahrungsmittelkette schliesst sich.

Auch von den Geissen landet die eine oder andere in der Pfanne. Doch geschätzt sind sie noch mehr als Milchlieferanten. Am Stand der Ziegenfreunde zeigt sich der Geissenkäse in seiner differenzierten Raffinesse. Zum Beispiel, wenn er von einem Rund aus Fichtenholz umschlossen ausreifen darf.

Auskunft von der Königin

Was ist eigentlich der Unterschied von Schafen und Geissen? «Ganz einfach, Geissen sind wie Frauen, manchmal zickig, dann wieder anlehnungsbedürftig.» Die Urnäscherin Monika Frei darf das sagen. Sie ist die aktuelle Geisskönigin.