Startseite
Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
In der Stadt Frauenfeld bekommt die GLP auf Kosten der SVP 3200 Parteistimmen mehr zugesprochen.
Am Wahlsonntag war Andreas Schelling sofort klar: «Da kann etwas nicht stimmen.» Und der erste Eindruck des Präsidenten der GLP Bezirk Frauenfeld stimmt. Am Dienstagmittag bestätigt Marius Kobi, Leiter Rechtsdienst der Staatskanzlei, Schellings Vermutung.
Das Ergebnis der Thurgauer Grossratswahlen 2020 muss korrigiert werden. Im Bezirk Frauenfeld bekommt die GLP neu 3200 Parteistimmen mehr zugesprochen, das sind 100 unveränderte Wahlzettel. Der grünliberale Stimmenzuwachs geht auf Kosten der SVP. Neu hat die GLP 37083 Parteistimmen, die SVP kommt noch auf 148933 Parteistimmen.
Kobi sagt: «Trotz dieses Fehlers verändert sich die Sitzverteilung nicht.» Denn bei der GLP gab es schon erste Hoffnungen, nachträglich einen Sitzgewinn verzeichnen zu können und damit auf neu drei Mandate zu kommen.
Die seitens GLP erhoffte Verschiebung hätte sich entweder zu Lasten der SVP oder den Grünen im Rahmen der Listenverbindung auswirken können. Bei der GLP wäre Marco Rüegg aus Gachnang der Glückliche gewesen. Auf der SVP-Liste hätte es der Frauenfelderin Severine Hänni den Sitz kosten können. Bei den Grünen wäre Simon Weilenmann aus Basadingen der Leidtragende gewesen. Doch für eine nachträgliche Sitzverschiebung reicht es nun eben nicht.
Das fehlerhafte Wahlprotokoll der Stadt Frauenfeld von Sonntag wies für die GLP 283 veränderte Wahlzettel aus, aber nur 27 unveränderte. Das Verhältnis von mehr als zehnmal so vielen veränderten zu unveränderten Wahlzetteln hat Schelling stutzig gemacht – und ihn nachrechnen lassen. Gemäss seiner Analyse liegt bei den anderen Listen das Verhältnis zwischen unveränderten und veränderten Wahlzetteln zwischen Faktor 0,28 (EDU) und 2,43 (Junge EVP). Bei der GLP dagegen liegt das Verhältnis bei Faktor 10,48.
«Das ist statistisch nicht nachvollziehbar.»
Das stellt der GLP-Bezirkspräsident fest. «Unsere Schlussfolgerung war, dass eine grössere Anzahl unveränderter GLP-Wahlzettel verschollen ist.» Beim Vergleich der Anzahl unveränderter Wahlzettel sei zudem aufgefallen, dass die SVP bei den Wahlen vor vier Jahren rund 200 unveränderte Wahlzettel weniger verzeichnen konnte als vergangenen Sonntag. Für Schelling war offensichtlich: «GLP-Wahlzettel sind für die SVP gezählt worden.» Und so ist es nun auch passiert.
Der GLP-Bezirkspräsident sagt: «Ich will nicht daran denken, dass der Fehler böswillig passiert ist.» Aber er moniert, mit einer Plausibilitätskontrolle im Wahlbüro wäre es möglich gewesen, die Unstimmigkeit bereits am Sonntag korrigieren zu können. Für ihn ist aber klar:
«Jetzt verlangen wir die Nachzählung aller unveränderten Wahlzettel, die in Frauenfeld eingegangen sind.»
Und dies müsse durch eine unabhängige Instanz erfolgen. Denn Schelling vermutet, dass noch ein zweites 100er-Couvert mit unveränderten GLP-Wahlzetteln irgendwo falsch abgelegt worden ist. «Erst mit 227 unveränderten GLP-Wahlzetteln wäre das Verhältnis zu den unveränderten Wahlzetteln im Normalbereich.» Eine Wahlrechtsbeschwerde seitens GLP sei in Vorbereitung. Schelling sagt:
«Diese reichen wir ein, wenn die Staatskanzlei unserer Forderung nicht nachkommt.»
Der Fehler ist im Wahlbüro der Stadt Frauenfeld passiert. Stadtschreiber Ralph Limoncelli entschuldigt sich in aller Form für die Nachlässigkeit. Er hat die Zettel am Sonntag im Wahlbüro kontrolliert und am Montag nochmals eine Nachkontrolle bei den GLP-Wahlzetteln durchgeführt. Aufgrund Schellings Hinweis ist er am Dienstagvormittag ein weiteres Mal über die Bücher gegangen und hat den Fehler festgestellt. Ein Couvert mit 100 unveränderten GLP-Wahlzetteln ist aus Versehen bei der SVP gelandet.