Thurgauer Unternehmen und Kanton bitten Pendler zum Speed-Date

Mit einem nostalgischen Londonbus fährt das Amt für Wirtschaft und Arbeit Thurgauer Bahnhöfe an. Der Kanton will die Bevölkerung für den heimischen Arbeitsmarkt gewinnen. Er setzt dafür bei den Pendlern an.

Larissa Flammer
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Am Montagabend hielt der Londonbus am Bahnhof Frauenfeld, Pendler und Unternehmensvertreter trafen sich drinnen. (Bild: Andrea Stalder)

Am Montagabend hielt der Londonbus am Bahnhof Frauenfeld, Pendler und Unternehmensvertreter trafen sich drinnen. (Bild: Andrea Stalder)

Nein, der rote Londonbus an Thurgauer Bahnhöfen wirbt nicht für das Ausland. Im Gegenteil. Er ist Schauplatz der Aktion «Leben statt pendeln», mit der Unternehmen zusammen mit dem Kanton Pendler für den Thurgauer Arbeitsmarkt gewinnen wollen.

45'000 Thurgauerinnen und Thurgauer verlassen täglich den Kanton, um zu ihrem Arbeitsplatz im Raum Zürich, Schaffhausen oder St. Gallen zu gelangen. «Innert 16 Jahren ist die Anzahl Weg-Pendler um über 70 Prozent gestiegen», sagt Regierungsrat Walter Schönholzer. Zusammen mit regionalen Arbeitgebern und Daniel Wessner, Chef des Amts für Wirtschaft und Arbeit, sitzt der Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor am Montagabend im roten Bus am Frauenfelder Bahnhof und stellt die Aktion vor.

Den Fachkräftemangel bezeichnen 85 Prozent der Thurgauer Arbeitgeber als grosse oder sogar sehr grosse Herausforderung. Das macht auch dem Kanton Sorgen. Wessner sagt:

«Uns ist es ein Anliegen, dass die Firmen weiter wachsen können und nicht wegziehen.»

Als erster Kanton setzt der Thurgau nun auf diese Art von Standortmarketing: Indem man die wegpendelnden Arbeitnehmer halten will. Die Aktion «Leben statt pendeln» ist gemäss Schönholzer zudem ein Mosaikstein, um die Attraktivität des Thurgaus auch gegen aussen zu kommunizieren.

In sieben Minuten eine Firma kennen lernen

Daniel Wessner, Chef Amt für Wirtschaft und Arbeit. (Bild: Andrea Stalder)

Daniel Wessner, Chef Amt für Wirtschaft und Arbeit. (Bild: Andrea Stalder)

Vier Bahnhöfe fährt der nostalgische Londonbus diese Woche an: Am Montag Frauenfeld, am Dienstag Kreuzlingen, am Mittwoch Weinfelden und am Donnerstag Romanshorn. «Wir haben einen Blickfang gesucht», sagt Amtsleiter Wessner auf die Frage, warum genau ein Londonbus für die Thurgauer Standortkampagne dient. Das gemietete Gefährt hat zudem dank der kleinen Fenster relativ viel Platz für Plakate an der Aussenseite.

Im Innern haben sich auf den zwei Stockwerken regionale Arbeitgeber in den Sitznischen eingerichtet, draussen stehen Pendler Schlange. Sie werden jeweils am Morgen, wenn sie auf den Zug gehen, mit Getränkegutscheinen und «Öpfelringli» auf die Aktion am Abend aufmerksam gemacht. Von Mitarbeitern des Amts für Wirtschaft und Arbeit werden sie zu den Unternehmensvertretern im Bus geleitet, dann beginnt das Speed-Dating.

Blick ins Innere des Busses. (Bild: Andrea Stalder)

Blick ins Innere des Busses. (Bild: Andrea Stalder)

Sieben Minuten dauert ein Gespräch maximal, dann müssen die Pendler den Platz wieder freigeben oder sich je nach dem noch zu einem zweiten Unternehmen setzen. Wessner sagt:

«Wir haben nicht die Erwartung, dass jemand grad mit einem Arbeitsvertrag wieder rauskommt.»

Aber die Pendler werden darauf aufmerksam gemacht, dass es auch im Thurgau viele spannende Firmen gibt, sie werden auf die Stellenplattform www.karriere-thurgau.ch hingewiesen und die einen oder anderen Visitenkärtchen wechseln den Besitzer.

Weniger Lohn aber mehr Lebensqualität und weniger Mobilitätskosten

«Zusätzliche Fachkräfte sind essenziell für die Thurgauer Wirtschaft», betont Regierungsrat Schönholzer. Er verweist darauf, dass der Thurgau auch eine beachtliche Anzahl Zu-Pendler hat. «Für die ist der Arbeitsmarkt hier offenbar hoch attraktiv.» Jetzt gehe es darum, auch die Thurgauer zu dieser Erkenntnis zu bringen.

Wessner räumt zwar ein, dass das Lohnniveau im Thurgau vielleicht tiefer ist als in Zürich, er sagt aber:

«Dafür gewinnt man an Lebensqualität, wenn man nicht täglich eine Stunde oder mehr in überfüllten Zügen oder im Stau verbringt, man spart die Mobilitätskosten und schont ohne lange Autofahrt zudem die Ressourcen.»

Bei den Firmen hat das Amt für Wirtschaft und Arbeit offene Türen eingerannt. Gerold Eger, Geschäftsführer der Baumer Electric AG, ist überzeugt von der Aktion: «Gute und vor allem zufriedene Mitarbeiter sind die Basis aller Unternehmen.»