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Der Thurgau führt das Öffentlichkeitsprinzip ein. Das Ja an der Urne ist mit über 80 Prozent deutlich. Nun wollen Befürworter wie Gegner im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses ihre Vorstellungen einbringen.
Die Deutlichkeit überrascht Befürworter wie Gegner: Mit 80 Prozent heissen die Thurgauer die kantonale Volksinitiative «Offenheit statt Geheimhaltung – für transparente Behörden im Thurgau» gut. Damit findet das sogenannte Öffentlichkeitsprinzip den Weg in die Kantonsverfassung. Es löst das Geheimhaltungsprinzip ab.
Behörden des Kantons, der politischen Gemeinden und Schulgemeinden werden verpflichtet, jeder Person auf Anfrage Einsicht in amtliche Akten zu gewähren. Es gibt allerdings weiterhin Ausnahmen: Steuerdaten oder andere persönlichkeitsrelevante Daten bleiben weiterhin geheim.
Bei den Befürwortern ist die Freude gross. Allen voran bei Ueli Fisch, dem Vater der Initiative und Präsident des überparteilichen Pro-Komitees. «Ich bin überwältigt», sagt Fisch. Er habe auf ein klares Verdikt gehofft, aber von einer Zustimmung von über 80 Prozent hätte er nicht zu träumen gewagt. Die deutliche Zustimmung führt der GLP-Kantonsrat einerseits auf die aktive Kampagne des Komitees zurück. «Wir waren viel auf der Strasse.»
Geholfen habe auch, dass Politiker von links bis rechts für die Initiative gekämpft hätten. Und diese wiederum hätten in ihren jeweiligen Parteien für die Initiative geworben. Alle Parteifarben – ausser die der FDP – waren im Komitee vertreten. «Uns haben auch gewisse Fälle in die Karten gespielt», betont Fisch. Er nennt Hefenhofen, die Wirren um den freigestellten Vizerektor an der Pädagogischen Hochschule Thurgau sowie den Schulknatsch in Wigoltingen. «In allen diesen Fällen wäre mehr Transparenz angebracht gewesen», sagt Fisch.
Gegen das Öffentlichkeitsprinzip trat ein Komitee an, dem vor allem Gemeindepräsidenten angehören. Ruedi Zbinden (SVP), Gemeindepräsident von Bussnang, ist von der Deutlichkeit überrascht: «Mit diesem klaren Resultat habe ich nicht gerechnet.» Den Volksentscheid gelte es aber ohne Wenn und Aber zu akzeptieren. «Auch wenn wir es lieber anders gehabt hätten.»
Die Warnungen, dass für die Gemeinden mit dem Öffentlichkeitsprinzip Mehrarbeit resultiere, wurde offenbar zu wenig gehört. Der Einsatz gegen die Initiative war für Politiker zudem wenig attraktiv. Zbinden: «Einen Blumentopf konnte man damit nicht gewinnen.»
Das deutliche Ja führt auch er zu einem gewissen Teil auf einige Vorfälle zurück, die in der Öffentlichkeit diskutiert wurden: «Gewisse Behörden haben teilweise unglücklich reagiert.» Zbinden dämpft aber die Erwartungen, dass mit dem Öffentlichkeitsprinzip nun alles besser werde. «Über laufende Verfahren gibt es weiterhin keine Auskunft.»
Das betont auch Cornelia Komposch an. Die Regierungspräsidentin (SP) verweist auf den Fall Hefenhofen: «Auch das Öffentlichkeitsprinzip hätte nichts daran geändert.» Sie warnt allgemein vor allzu grossen Hoffnungen. Die Regierung hatte sich aus dem Abstimmungskampf herausgehalten.
Nun sagt Komposch: «Es ist ein klarer Volksentscheid.» Die Deutlichkeit begrüsse sie: «Das macht es einfacher, nun an die Arbeit zu gehen.» Dennoch seien die Bedenken der Regierung nicht aus der Welt geräumt. «Wir rechnen mit finanziellem und personellen Mehraufwand.»
Klar ist nun, was in der Verfassung steht. Nun geht es um die Ausarbeitung des Gesetzes. In diesem Prozess könnte sich der Abstimmungskampf im Kleinen fortsetzen. Darauf stellt sich Ueli Fisch ein. «Es wird sicher nochmals Widerstand geben.» Seine Forderung ist klar: «Wir brauchen ein griffiges Gesetz.» Ruedi Zbinden sagt: «Für mich ist klar, es muss ein pragmatisches Gesetz geben.» Eines, das die Gemeinden auch umsetzen könnten. «Wichtig ist, dass auch kritische Stimmen mitreden können.»
Justizministerin Cornelia Komposch rechnet damit, dass es bei der Umsetzung zu Unklarheiten kommen werde. Deshalb sei vorstellbar, dass der Kanton eine Wegleitung erarbeite. Auch der Erlass einer Verordnung schliesst sie nicht aus.