Zutritt verboten am Thurgauer Seeufer: Regierungsrätin stört sich an abgesperrten Privatwiesen

Regierungsrätin Cornelia Komposch stört sich an eingezäunten Privatgrundstücken am Untersee. Zwar hätte der Kanton einen prall gefüllten Spezialfonds für den Erwerb solcher Parzellen, doch dieser kommt nur selten zum Zug.

Silvan Meile
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Am Untersee – hier in Steckborn – verbietet ein Schild der Öffentlichkeit den Zugang zum Ufer. (Bild: Reto Martin)

Am Untersee – hier in Steckborn – verbietet ein Schild der Öffentlichkeit den Zugang zum Ufer. (Bild: Reto Martin)

Ein Spaziergang von Regierungspräsidentin Cornelia Komposch entlang des Unterseeufers wirft Wellen. Die Justizministerin machte an ihrem sonntäglichen Fussmarsch mehrere Fotos von eingezäunten oder abgegrenzten Grundstücken direkt am Wasser. «Privat» steht auf den Schildern, die damit unmissverständlich signalisieren: Hier hat die Öffentlichkeit keinen Zugang zum Ufer oder der Feuerstelle, die auf der Wiese mit Bäumen steht. Auch der Uferfussweg muss um diese Grundstücke einen Bogen machen.

Politik lehnte ein Vorkaufsrecht für den Kanton ab

Der Facebook-Beitrag löste zahlreiche Reaktionen aus. Diese reichen von Unmutsbekundungen über die durch Privatpersonen abgesperrten Uferbereiche bis zur Angst, dass die Justizministerin auf ihren Spaziergängen an die Verstaatlichung von Grundeigentum denke. FDP-Kantonsrätin Kristiane Vietze fragte sicherheitshalber, was die Regierungsrätin mit ihrem Post bewirken wolle.

«Mit meinem Post wollte ich meinem Unmut Luft machen», sagt Komposch auf Anfrage. Der Umstand, dass sie über eine Stunde entlang des Untersees spazierte und es keine Möglichkeit gegeben habe, das Ufer beziehungsweise das Wasser zu erreichen, finde sie sehr störend.

«Es reiht sich eine abgesperrte Parzelle an die nächste. Und will man trotzdem ans Wasser gelangen, macht man sich strafbar, weil man Privateigentum betritt.»
Regierungsrätin Cornelia Komposch (SP).

Regierungsrätin Cornelia Komposch (SP).

Am Thurgauer Untersee sind zwei Drittel der Uferfläche in Privatbesitz. Am Obersee ist es etwas mehr als die Hälfte. Das Thema der privaten und oft unverbaubaren Grundstücke, die ihren Besitzern ein exklusives Seeufer ermöglichen und dieses der Öffentlichkeit verwehren, ist ein wiederkehrendes Thema in der Bevölkerung und der Politik. Letztmals brachte der grüne Kantonsrat Toni Kappeler die Diskussion um den eingeschränkten Seezugang 2013 in den Thurgauer Grossen Rat.

Mit einer Motion verlangte er ein Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand, wenn entsprechende Parzellen zum Verkauf stehen. So hätten Kanton und Gemeinden einen Vorsprung und könnten ihre Interessen abwägen, sich einen Kauf überlegen. Geld dafür hat sich der Kanton längst auf die Seite gelegt. Der Spezialfonds für den Erwerb von Seeufer bleibt aber oft jahrelang unangetastet. Sein Bestand verharrt bei weit über vier Millionen Franken.

Doch die bürgerliche Mehrheit im Kantonsparlament lehnte es ab, dem Kanton das Instrument des Vorkaufsrechts in die Hand zu geben, um die Ufer an den Gewässern vermehrt in den Besitz der Allgemeinheit zu bringen. Das würde ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit bedeuten und aufgrund der hohen Preise kaum etwas nützen.

Die Preise für Uferparzellen schnellen in die Höhe


Jürg Dünner vom kantonalen Amt für Raumentwicklung kennt die Besitzverhältnisse an den Ufern von Bodensee und Rhein. Er hat für die Parzellen in öffentlicher Hand eine Uferplanung ausgearbeitet. Darin habe er entlang des Sees auch Privatparzellen vermerkt, bei denen für Kanton und Gemeinden ein besonders grosses Kaufinteresse besteht. Etwa um einen Uferweg zu verlängern oder einen Badeplatz einzurichten. Dünner sagt:

«Es muss Sinn ergeben, dass wir einen Zugang zum Wasser erschliessen können.»

Auch bei wertvollen Naturschutzgebieten sei das Interesse gross.
Doch statistisch gesehen kauft der Kanton nur etwa jedes zweite Jahr eine Uferparzelle. Denn sie sind selten und beliebt. Meist werden sie über Generationen weitervererbt. Das lässt die Preise schnell in die Höhe schnellen, wenn eine solche Parzelle auf den Markt kommt.

«Für uns ist es schwierig, weil Private breit sind, viel Geld zu zahlen», sagt Dünner. Für eine 3000 Quadratmeter grosse Wiese mit Bäumen, die baulich absolut unberührt belassen werden muss, seien kürzlich am Rheinufer bei Wagenhausen 100 000 Franken bezahlt worden. Zu viel für den Kanton, wie Dünner sagt.

«Der Fehler der aktuellen Situation wurde vor vielen Jahren gemacht», sagt Regierungsrätin Komposch. Eine Verstaatlichung im Sinne einer Enteignung sei für sie kein Thema, um dieses Problem zu lösen.

«Wo es aber möglich ist, Grundstücke durch die öffentliche Hand zu erwerben, um etwa einen Wanderweg dem Ufer entlang zu führen oder einen Steg zu bauen, da sollte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden.»