Die Thurgauer Obergerichtspräsidentin hat manchmal 1500 Mails im Posteingang; ihr Vorgänger hatte kein E-Mail.
Der Grosse Rat hat im Februar das Gesetz so geändert, dass das Thurgauer Obergericht von sechs auf acht Berufsrichter erweitert werden kann. Neue Juristen können aber erst angestellt werden, wenn der Rat im Herbst das Budget des Obergerichts entsprechend erhöht. Zu diesem Schritt rät der Präsident der Justizkommission, Iwan Wüst (EDU, Tuttwil):
«Es muss etwas gemacht werden.»
Die prekäre Personalsituation veranschaulicht haben ihm unlängst die Präsidentin und der Vizepräsident des Obergerichts, als die Justizkommission den Jahresbericht des Obergerichts abgenommen hat. In seinem Kommissionsbericht lässt Wüst beide ausführlich zu Wort kommen. «Es gibt auch kritische Stimmen», erklärt Wüst. Angesprochen fühlen könnte sich etwa Vico Zahnd (SVP, Weingarten), der sich im Februar nach der tatsächlichen Belastung des Obergerichts erkundigte.
«Ganz allgemein haben die Präsidialaufgaben zugenommen», sagte Obergerichtspräsidentin Anna Katharina Glauser Jung gemäss Kommissionsbericht. «Hatte mein Vorgänger kein E-Mail, muss ich immer wieder mein Mail-Konto säubern, weil es mit rund 1500 Mails im Posteingang die Kapazitätsgrenze erreicht hat.» Diese Mails beträfen nicht Verfahren, sondern die Korrespondenz im Haus und mit den unteren Instanzen und der Verwaltung.
Das Obergericht arbeitet seit zehn Jahren mit derselben Richterzahl. Zusätzliche Gerichtsschreiber wurden bewilligt. Doch «Richten ist unsere Kernaufgabe», sagte Vizepräsident Marcel Ogg. Das Obergericht brauche einen zusätzlichen Richter. Die Schreiber brächten durchaus Entlastung:
«Aber die Entscheid-Verantwortung und das eigene Aktenstudium lässt sich nicht delegieren.»
2013 hatte sich die Arbeit des Obergerichtspräsidenten als Aufsichtsinstanz verdoppelt, da die fünf Kesb dazu kamen. Der Präsident respektive seine Nachfolgerin beaufsichtigt auch die fünf Bezirksgerichte und weitere Justizbehörden.
Auch der Aufwand bei ihrem Hauptgeschäft, den Berufungsverhandlungen, hat sich vergrössert, wie Glauser Jung ausführte. 2011 seien nur die Plädoyers abgenommen worden und der Beschuldigte habe das Schlusswort gehabt.
Bei einem umstrittenen Sachverhalt müssten heute auch in der Berufungsverhandlung nochmals Zeugen befragt und Gutachten eingeholt werden. Zudem habe die Zahl der Berufungsverhandlungen deutlich zugenommen.
Auch Zivilverfahren seien aufwendiger geworden, unter anderem mit der Einführung der geteilten Obhut.