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Frauenfeld & Hinterthurgau
Laut einer Motion soll im Thurgau bis 2030 der erneuerbare Strom 40 Prozent des Verbrauchs betragen. Dazu sollen vor allem Industrie- und Gewerbeflächen möglichst flächendeckend mit Solaranlagen ausgestattet werden.
Es geht ihm zu langsam. «Viel zu langsam», sagt Marco Rüegg. Der Gachnanger GLP-Kantonsrat meint damit den Umstieg auf die Produktion von erneuerbaren Energien und verweist auf eine Studie von WWF Schweiz aus dem Jahr 2020. Sie besagt, dass die Schweiz mit der aktuellen Ausbaugeschwindigkeit 262 Jahre brauchen würde, um das Potenzial an Solarenergie auszuschöpfen. Der Kanton Thurgau bräuchte 216 Jahre. Um etwa die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, sei also «ein viel schnellerer Ausbau nötig», sagt Rüegg.
Mit Simon Vogel (GP, Frauenfeld) und Elina Müller (SP, Kreuzlingen) hat er im Grossen Rat nun eine Motion eingereicht, welche 40 weitere Parlamentarier mitunterzeichnet haben. Damit verlangen sie eine «flächendeckende Produktion von erneuerbaren Energien». Die Motion fordert vom Regierungsrat eine gesetzliche Grundlage, damit geeignete Flächen an bestehenden Gebäuden und Neubauten mit entsprechenden Anlagen ausgestattet werden.
Ziel des Vorstosses: Die Produktion von erneuerbarem Strom soll im Thurgau bis 2030 einen Anteil von 40 Prozent am Elektrizitätsverbrauch ausmachen. Gemäss jüngsten Statistiken des Kantons betrug 2019 dieser Anteil rund 15 Prozent.
Die Motion ist zwar mit dem Begriff «erneuerbare Energien» offen formuliert, meint in erster Linie aber Solarenergie. Man habe damit andere Technologien zur erneuerbaren Stromproduktion nicht ausschliessen wollen, erklärt Marco Rüegg.
«Im Thurgau ist das Potenzial der Solarenergie mit Abstand am grössten.»
Bei Geothermie, Wind- und Wasserkraft seien die Möglichkeiten viel eher begrenzt, teilweise auch aufgrund politischen Widerstands.
Wie die Gesetzesvorlage auszusehen hat, dem will Rüegg nicht zu sehr vorgreifen. «Die Ausgestaltung ist dem Regierungsrat überlassen.» Man müsste jedoch mit Anreizen arbeiten und beispielsweise die Fördersummen erhöhen, ist Rüegg überzeugt. «Sollte man dann sehen, dass die 40 Prozent so nicht erreicht werden, müsste man zu härteren Massnahmen greifen.» Man habe in dieser Hinsicht aber bewusst Spielraum offen gelassen im Vorstoss.
Die Motion zielt vor allem auf Neubauten ab. «Zudem sprechen wir hier in erster Linie von geeigneten Flächen auf Gewerbe- und Industriebauten, nicht von Einfamilienhäusern», sagt Rüegg. Er sieht zum Beispiel auch Solar-Faltdächer über Parkplätzen als Möglichkeit. Solche meist grossen Flächen gelte es, möglichst vollständig auszunutzen. Damit dies gelingt, soll sich der Bau von Solaranlagen aus wirtschaftlicher Sicht auszahlen. Rüegg sagt:
«Die Rückliefertarife für den erzeugten Strom müssten fair sein. Man muss so signalisieren, dass man diesen Strom aus erneuerbarer Energie auch wirklich will.»
Derzeit sei die unsichere Situation am Energiemarkt eher eine Hemmschwelle. So seien die Rückliefertarife nicht übersichtlich, wodurch eine genaue Rendite auf einen längeren Zeitraum von etwa 20 Jahren nicht genau berechnet werden könne.
Ein Problem, dass es anzupacken gelte, sieht der Motionär im fehlenden Bewusstsein von Planern und Bauherrschaften. «Vielen Unternehmern ist nicht bewusst, dass eine gute Solaranlage innert 10 Jahren bereits zurückbezahlt sein kann.» Und unter Architekten sei es oft die Designfrage, welche sie davon abhalte, eine Solaranlage zu planen. Dabei gebe es mittlerweile auch Panels, die beispielsweise wie Eternitplatten aussehen und in verschiedenen Farben erhältlich sind.
Das Bundesamt für Energie sieht im Thurgau ein Solarstrompotenzial von 1400 Gigawattstunden pro Jahr. Mit 40 Prozent des Verbrauchs verlangt die Motion, dass bis 2030 etwa die Hälfte davon, also 700 Gigawattstunden, aus erneuerbarer Energie stammt. Der gelernte Maschineningenieur Marco Rüegg, der sich auch beruflich mit erneuerbarer Energie befasst, ist dies nicht nur wegen des Klimaschutzes, sondern auch wegen der Versorgungssicherheit zwingend nötig.
«Dieser Punkt ist wirtschaftlich extrem wichtig und wird von der Politik unterschätzt.»
Denn die Nachbarländer werden den Strom, den sie produzieren, künftig komplett selber brauchen, ist Rüegg überzeugt.