Open Air Frauenfeld
«Leiden, weil sich viele nicht impfen lassen»: Nach erneuter Absage zeigen sich Veranstalter und Stadt enttäuscht +++ Summerdays Arbon ungefährdet

Wegen stark steigender Coronazahlen: Das Mini-Open-Air Frauenfeldli von Mitte September kann doch nicht durchgeführt werden. Der Kanton Thurgau und die Stadt Frauenfeld ziehen die erteilte Bewilligung für das Ersatz-Open-Air mit über 10'000 Besucherinnen und Besuchern zwei Wochen vor der Durchführung zurück.

Samuel Koch
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Dichtgedrängt verfolgen die Massen ein Konzert am bisher letzten Open Air Frauenfeld im Juli 2019.

Dichtgedrängt verfolgen die Massen ein Konzert am bisher letzten Open Air Frauenfeld im Juli 2019.

Bild: Andrea Stalder

Die steigenden Fallzahlen und die erreichten Kapazitätsgrenzen auf den Intensivstationen durch Covid-19 sind verantwortlich. Deshalb entziehen der Kanton Thurgau und die Stadt Frauenfeld der First Event AG als Veranstalterin des Open Airs Frauenfeld zwei Wochen vor der Durchführung die Bewilligung für das vom 14. bis 18. September geplante Mini-Open-Air namens Frauenfeldli.

Das Kantonsspital in Frauenfeld erreicht aufgrund der stark steigenden Covid-19-Zahlen im Kanton Thurgau sein Kapazitätslimit von aktuell zehn verfügbaren Betten. Unter diesen Umständen könne die medizinische Grundversorgung für die über 10'000 Open-Air-Gäste nicht mehr gewährleistet werden. Trotz kleinerem Festival auf der Grossen Allmend zeigten die Erfahrungen der letzten Jahre, dass täglich 15 bis 20 Personen notfallmässig ins Spital eingeliefert werden müssten, wovon rund ein Fünftel eine Überwachung auf der Intensivstation bedarf. Dafür habe das Spital in den vergangenen Jahren jeweils die personellen Ressourcen und die Kapazitäten temporär erhöht.

«Das ist dieses Jahr nicht möglich, da die Kapazitätsgrenzen auf der Intensivstation aufgrund des erhöhten Betreuungsaufwands durch Covid-19-Patienten bereits erreicht sind.»

Das teilt das zuständige Thurgauer Departement für Erziehung und Kultur (DEK) am Dienstagvormittag mit. Eine zusätzliche Belastung durch Open-Air-Besucher bezeichnet das DEK daher als nicht tragbar, das laut dessen Generalsekretär Patrik Riebli für die gesundheitspolizeiliche Bewilligung von Grossveranstaltungen zuständig ist.

«Bewilligung nicht verantwortbar»

Gegenüber den Verantwortlichen der First Event AG ist laut Riebli immer ausdrücklich festgehalten worden, dass die Anfang Juli erteilte Bewilligung bloss bestehen bleibt, wenn es die epidemiologische Lage erlaubt und die notwendigen Kapazitäten in der Gesundheitsversorgung vorhanden sind. «Wegen der aktuell hohen Auslastung der Intensivstationen mit Covid-Fällen könnte die Versorgung zusätzlicher Nicht-Covid-Fälle von Open-Air-Gästen nicht sichergestellt werden», heisst es weiter.

Für die Open-Air-Veranstalter ist es nach den Absagen für die grossen Festivals 2020 und 2021 bereits die dritte Absage. Open-Air-Sprecher Joachim Bodmer sagt:

«Bitter ist, dass diese dritte Absage vermeidbar gewesen wäre.»
Joachim Bodmer, Mediensprecher Open Air Frauenfeld.

Joachim Bodmer, Mediensprecher Open Air Frauenfeld.

Bild: Andrea Stalder

Bodmer spricht Klartext und sagt: «Wir leiden darunter, dass sich viele nicht impfen lassen oder sich nicht vorsichtig verhalten.» Die Organisation einer Grossveranstaltung in Pandemiezeiten sei zwar immer riskant. Trotzdem haben die Veranstalter bis zum jetzigen Bewilligungsentzug gehofft. «Wir stehen hinter der Entscheidung der Behörden», sagt Bodmer und appelliert an die Bevölkerung, aufzupassen oder sich impfen zu lassen.

Frauenfelds Stadtpräsident Anders Stokholm bläst ins gleiche Horn. «Es ist sehr schade, dass der Anlass abgesagt werden muss, weil die Notfallstationen aufgrund von Covid-19 überlastet sind», sagt er. Die Stadt habe sich den jetzigen Entscheid auch nicht gewünscht. Er sei aber richtig, um die Spitäler nicht weiter zu belasten.

Andere Situation fürs Summerdays Arbon

Anders Stokholm, Stadtpräsident Frauenfeld.

Anders Stokholm, Stadtpräsident Frauenfeld.

Bild: Michel Canonica

Keinen Einfluss hat die Absage in Frauenfeld auf das am kommenden Wochenende stattfindende Summerdays-Festival in Arbon. «Dort haben wir eine komplett andere Situation», sagt DEK-Generalsekretär Riebli. Im Oberthurgau sei die Gesundheitsversorgung sichergestellt, im Gegensatz zu Frauenfeld mit seinem fünftägigen Festival mit täglich über 10'000 Besuchern, seien es an den beiden Tagen in Arbon deutlich weniger, und erst noch ohne Übernachtungsmöglichkeiten. «Nebst den kleineren Dimensionen besucht Arbon auch ein anderes Klientel, und es kommt erfahrungsgemäss sehr selten zu medizinischen Notfällen», sagt Riebli.

Die Bühne des ersten Open Air in Frauenfeld im Jahr 1987, das damals noch «Out in the Green» hiess.
52 Bilder
Auf der Bühne standen 1987 unter anderem Barclay James Harvest und Status Quo.
Eine Marktgasse gab es schon 1987.
«Frauenfeld erlebte begeisterndes Open air»: Diesen Titel setzte die «Thurgauer Zeitung» über ihren Text zum ersten Out in the Green im Juli 1987. Der Artikel handelt von einem friedlichen Fest mit 30'000 Besuchern, «Campingunfällen» und gefragten Getränken.
Die Neville Brothers treten am 8. Juli 1995 am «Out in the Green» in Frauenfeld auf. Aaron Neville, links, und Charles Neville, rechts, in Aktion.
Im gleichen Jahr war auch Chuck Berry im Thurgau zu Gast.
Und auch Elton John beehrte 1995 das Frauenfelder Open Air.
Eng war es vor der Bühne schon 1995.
David Bowie gab das letzte Konzert des «Out in the Green» 1997.
Im gleichen Jahr ebenfalls beim «Out in the Green» zu Gast: Sting.
Nicht ganz so berühmt wie Sting und David Bowie, aber im deutschsprachigen Raum unter anderem dank einer legendären Pressekonferenz trotzdem in Erinnerung geblieben: «Tic Tac Toe».
Auch 1998 waren Stars in Frauenfeld. Hier im Bild: Mick Jagger von den Rolling Stones.
Nicht immer war das Wetter gut, wie dieses Bild aus dem Jahr 2000 zeigt.
Sogar Nessie war 2000 in Frauenfeld zu Gast.
Zwar war das «Out in the Green» 2000 noch kein Hip-Hop-Festival, doch erste Acts dieses Genres waren in Frauenfeld schon zu Gast. Zum Beispiel «Die Fantastischen Vier».
Der Schweizer Musiker Bligg, damals noch Rapper, trat 2004 in Frauenfeld auf.
Mary J Blige trat 2004 auf der Hauptbühne in Frauenfeld auf.
Ein reines Hip-Hop-Festival war das Open Air damals aber noch immer nicht. Auch Pink trat 2004 in Frauenfeld auf...
...ebenso wie Motörhead.
2007 kam es auf dem improvisierten Parkplatz in der Nähe der Allmend zu einem grossen Brand. Rund 50 Autos brannten.
2008 war die Ausrichtung des Open Air bereits deutlich klarer. Hip-Hop-Megastar Jay-Z bei seinem Auftritt.
Und auch der deutsche Rapper Jan Delay war in Frauenfeld zu Gast.
Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Sitzgelegenheiten.
Wo ein Open Air stattfindet, bleibt viel Müll zurück, so auch 2008 in Frauenfeld.
Ob sich dieser Musikfan das Konstrukt patentieren liess?
2009 war das Wetter deutlich besser.
Deshalb suchten die Musikfans Abkühlung im nahegelegenen Fluss.
Nahezu alle Hip-Hop-Grössen waren irgendwann in Frauenfeld zu Gast. 2009 zum Beispiel 50 Cent...
...und Kanye West.
Von oben lassen sich die Ausmasse des Festivals im Jahr 2010 besser erkennen.
Eine temporäre Zeltstadt für wenige Tage entsteht jedes Jahr in Frauenfeld.
2010 (im Bild) und 2018 war US-Rapstar Eminem zu Gast.
2011 gehörten Cypress Hill zu den ganz grossen Namen.
Lauryn Hill trat am Open Air Frauenfeld 2012 auf.
2013 waren mehrere Altstars des Hip-Hops in Frauenfeld. «A Tribe Called Quest» genauso...
...wie Run DMC.
1987 wunderte sich die Presse noch, dass Barclay James Harvest eine eigene Lichtanlage mitnehmen wollte, 2014 kamen Künstler mit einer ganzen Lichtshow. Hier im Bild: M.I.A.
Zur Hip-Hop-Kultur gehört neben der Rap-Musik auch das Breakdancen.
Musiker mit Maske sah man in Frauenfeld immer wieder. Hier im Jahr 2014: Cro.
Und im Jahr 2015 Marsimoto.
Innert weniger Tage entsteht in Frauenfeld jeweils ein imposantes Bühnenbild.
Konfetti beim Konzert von K.I.Z. 2016.
Open Air und trotzdem nicht aufs Training verzichten: In Frauenfeld seit einigen Jahren möglich.
2017 gehörte Mac Miller zu den grossen Namen in Frauenfeld.
Tausende Besucherinnen und Besucher strömen jedes Jahr auf die Allmend.
Auch Schweizer Künstlerinnen sind in Frauenfeld zu sehen und zu hören. 2018 zum Beispiel Danitsa...
...und Lo&Leduc.
Einer der bekanntesten deutschen Rapper: Sido.
Beim bisher letzten Open Air Frauenfeld zu Gast: Cardi B.
Beim Open Air Frauenfeld geht's immer auch um den Style.
Nicht nur Künstler tragen Masken, auch die Fans.
Bassgitarrist Pär Sundström der schwedischen Heavy-Metal-Band Sabaton und Five-Finger-Death-Punch-Leadsänger Ivan Moody beim Out in the Green 2022, das die Rockmusik nach vielen Jahren Abstinenz zurück auf die Allmend bringt.

Die Bühne des ersten Open Air in Frauenfeld im Jahr 1987, das damals noch «Out in the Green» hiess.

Bild: PD

Nach der Absage in Frauenfeld können die Open-Air-Veranstalter noch keine Aussagen zu finanziellen Auswirkungen machen. «Das ist viel zu früh», sagt Mediensprecher Bodmer. Er kann aber versichern, dass die First Event AG finanziell auf soliden Füssen steht. Fürs Frauenfeldli rechneten die Organisatoren mit einem Budget von rund 5 Millionen, was rund einem Drittel des grossen Festivals entspricht.

Für bereits verkaufte Tickets fürs Frauenfeldli erstattet der Veranstalter die Preise vollumfänglich zurück. Denn beim Frauenfeldli mit den angekündigten Headlinern wie Future, Sido und Loredana handelt es sich um eine einmalige Veranstaltung. Über die Abwicklung der Ticketrückerstattungen wollen die Organisatoren demnächst informieren.