Weihnachten 2015 wütete ein verheerendes Feuer in Steckborn. Ausgelöst hatte den Brand der Akku eines Modellautos. Ab heute steht ein Ehepaar vor Gericht. Bei «pflichtgemässer Aufmerksamkeit» hätten sie die Gefahr erkennen müssen, ist der Staatsanwalt überzeugt.
Die Warnung stand kleingedruckt auf dem Akku des Modellautos: «Vor Gebrauch lesen. Nur mit Lipo-kompatiblen Ladegerät laden. Nicht unbeaufsichtigt lassen. Von entflammbaren Materialien fernhalten.» Das hätte dem Ehepaar «bei pflichtgemässer und zumutbarer Aufmerksamkeit bekannt sein müssen», schreibt der Staatsanwalt in der Anklageschrift. Er wirft dem 48-jährigen Mann und der 47-jährigen Frau fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst vor. Der Lithium-Polymer-Akku hatte sich entzündet und den verheerenden Brand in der Steckborner Altstadt kurz vor Weihnachten 2015 ausgelöst.
Heute morgen hat am Bezirksgericht Frauenfeld die Verhandlung begonnen. Das Gericht hat zwei Tage angesetzt. Am Dienstagabend soll das Urteil verkündet werden. Der Staatsanwalt fordert eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren. Dazu eine Busse von 600 Franken für den Mann. Die Frau soll mit 10 Tagessätzen zu je 30 Franken bei zweijähriger Probezeit bestraft werden, sowie mit einer Busse von 300 Franken.
Eventuell sei aber auf eine Bestrafung des Ehepaares zu verzichten, schreibt der Staatsanwalt. Er beruft sich dabei auf Art. 54 des Strafgesetzbuches. Der besagt, dass von einer Bestrafung abgesehen werden kann, wenn ein Täter «durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat so schwer betroffen ist, dass eine Strafe unangemessen wäre».
Beim verheerenden Brand in der Nacht des 21. Dezember wurden sechs Häuser in der Altstadt von Steckborn beschädigt. 30 Menschen verloren dabei ihr Dach über den Kopf. Den gesamten Sachschaden beziffert die Anklageschrift auf 12 Millionen Franken. Am Prozess beteiligt sind 22 Privatkläger, darunter zwei Versicherungen.
Das Modellauto, dessen Akku das Feuer auslöste, hatte der Beschuldigte erst zwei Tage vor dem Brand von einem Kollegen erhalten als Wiedergutmachung für eine Geldschuld. Der Kollege soll sich noch beim Beschuldigen erkundigt haben, ob er mit dem Autos und dem Akku «klar komme» oder mehr Instruktionen brauche. Der Beschuldigte habe dies abgelehnt, auch die Betriebs- und Bedienungsanleitung habe er nicht gewollt.
Am Tag vor dem Brand, einem Sonntag, habe der Mann zusammen mit der Stieftochter das Modellauto zu Hause getestet. Weil beide Akkus leer waren, habe er dann den Lithium Polymer-Akku in das Ladegerät gelegt und in der Küche an die Steckdose angeschlossen. Dann sei er mit dem Hund spazieren gegangen.
In der Zwischenzeit kam die Ehefrau nach Hause. Sie habe sich über das Modellauto und das Ladegerät in der Küche genervt, die Sachen gepackt, ins Ankleidezimmer getragen und dort wieder angesteckt. Das Ladegerät sei im Ankleidezimmer auf einem brennbaren Laminatfussboden gestanden. Als der Mann zurück kam, hätten sie in der Küche noch Wein getrunken und seien dann ins Bett. Der Mann habe das Modellauto und Ladegerät im Ankleidezimmer zwar bemerkt, aber nicht reagiert.
Die Überladung des Lithium-Polymer-Akkus habe zu einer Überhitzung geführt, heisst es in der Anklageschrift. Dadurch habe sich der Akku entzündet. Um 2.34 Uhr war der Rauch so stark, dass die Tochter wach wurde und die Eltern geweckt hat.
Zu der Zeit konnte die Familie die Wohnung nicht mehr selber verlassen, sondern von der Feuerwehr befreit werden. Der Hund konnte nicht mehr gerettet werden.