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Frauenfeld & Hinterthurgau
Sprache wird immer mehr zum wichtigsten Integrationskriterium. Mit dieser Entwicklung halten die städtischen Sprachförderungs-Angebote gut mit. Derzeit nehmen fast 300 Personen an entsprechenden Kursen teil.
Auf der Tafel steht «Heute (Präsens)». Eine Frau aus Eritrea liest laut vor: «Ich mache Hausaufgaben.» Es geht um den Einsatz konjugierter Verben. Eine Afghanin ist an der Reihe. «Ich esse Brot.» Sie erzählt, wie ihr Kind ihr das deutsche Wort «klatschen» beigebracht hat. Das Kind hat das Wort im Kinderhort einen Stock tiefer gelernt. Die anderen Frauen schmunzeln. Noch schnell die Hausaufgaben eingepackt. Dann ist der Kurs «Stufe 2005, langsames Lerntempo, Ende Niveau A1» zu Ende. Es ist kurz vor 11 Uhr. «Bis am Freitag», verabschiedet Lehrerin Andrea Hofmann Kolb die Mütter, Hausfrauen, Reinigungskräfte. Fünf von 223 Personen, die beim städtischen Amt für Gesellschaft und Integration einen von 25 Sprachkursen für Erwachsene belegen. Die Frauen sind seit fünf Semestern dabei. Halbzeit. Nach insgesamt zehn Semestern sollten sie auf Sprachniveau A1 sein.
Seit dem Jahr 2000 bietet Frauenfeld Sprachkurse an. Es begann klein mit zwei Kursen und je 24 Lektionen. Heute hat der Semester-Morgenkurs für Frauen 72 Lektionen, ein Intensivkurs umfasst sogar 264 Lektionen im Halbjahr. In den vergangenen Jahren sind gemäss Kathrin Sproll-Müller, Bereichsleiterin Deutsch- und Integrationskurse, die Teilnehmerzahlen stabil geblieben.
Die zuständige Stadträtin Christa Thorner machte vergangenen Frühling Ferien in Sevilla. Sie spricht kein Wort Spanisch. Und der Taxifahrer war des Englischen nicht mächtig. «Da fühlte ich mich ein wenig fremd.» So gehe es wohl Menschen, die in die Schweiz flüchteten. Heutzutage leben Personen aus rund 90 Ländern in Frauenfeld.
«Sprache ist ein Transportmittel, um eine Kultur verstehen zu können.»
Bei Deutschkursen für Fremdsprachige denke man sofort an Flüchtlinge. Aber in Frauenfeld seien es viele Arbeitsmigranten, etwa aus Portugal oder vom Balkan, sagt Thorner. Laut Markus Kutter, Amtsleiter Gesellschaft und Integration, wird Sprache immer mehr zum wichtigsten Integrationskriterium, sei es bei der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung, in Sachen Familiennachzug, bei der Einbürgerung oder der Suche nach einer Arbeitsstelle. «Unser Vorteil ist, dass alle Angebote unter einem Dach sind.» Nämlich hinter dem Casino am Kasernenplatz 4. So gibt es für Mütter während der Kurszeiten gleichenorts auch eine Kinderbetreuung. Zudem sind die Kurse bis Niveau B1 subventioniert – zu gleichen Teilen von Bund, Kanton und Gemeinde. So zahlt ein Einwohner Frauenfelds für eine Standardlektion 6,50 Franken, während es bei kommerziellen Anbietern bis zu 16 Franken sind. Kutter sagt:
«Damit niemand sagt: Das ist mir zu teuer.»
Gleichwohl seien die Kurse immer noch eine grosse finanzielle Herausforderung für die Teilnehmer, sagt die Bereichsleiterin Kathrin Sproll-Müller. Stadträtin Thorner spricht von einem Zielkonflikt zwischen dem politischen Willen im Thurgau, der einen Eigenanteil von den Teilnehmern fordere, und deren beschränkten wirtschaftlichen Ressourcen. Sie sei der tiefen Überzeugung, sagt Thorner, dass sich die Investition in das Erlernen einer Sprache lohne.
Seit mittlerweile 18 Jahren stellt Frauenfeld Angebote in der Förderung des Spracherwerbs bereit. Einerseits gibt es Kurse für Kinder im Vorschulalter und Frauen, andererseits bestehen auch gemischte Sprachkurse für Erwachsene. In der frühen Sprachförderung nehmen derzeit 65 Kinder an einer Sprachspielgruppe teil. 42 Prozent der Kinder haben einen Schweizerpass. Bei den Erwachsenen sind 223 Personen in 25 Kursen eingeschrieben. Von ihnen haben 127 Personen eine Aufenthaltsbewilligung und 29 eine Niederlassungsbewilligung. 14 Kursteilnehmer haben einen Schweizerpass. Am meisten Personen kommen als Arbeitsmigranten aus Portugal und Mazedonien. Stark vertreten sind auch Flüchtlingsländer wie Afghanistan, Syrien und Eritrea. Zwei Drittel der Teilnehmer kommen aus Frauenfeld, der Rest ist aus der Region. (ma)
Der Fokus der Subventionierung liegt auf den tiefen Sprachniveaus. Aber es gibt immer wieder Faktoren, die es nach mehreren Kursjahren erschweren, A1 oder A2 zu erreichen. «Eine grössere Eigenleistung der Teilnehmer erwarten wir ab Niveau B2», sagt Sproll-Müller. Gerade im Fortgeschrittenen-Niveau habe man in jüngerer Vergangenheit eine erhöhte Nachfrage feststellen können.