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Die Bauarbeiten beim Grossbauprojekt der Mühle Rickenbach schreiten voran. Das Anbringen der Aussenfassade erfordert Millimeterarbeit.
Es ist gegen halb elf auf der Baustelle der Mühle Rickenbach. Ein Bauarbeiter steht neben der Ladefläche eines kleinen Lastwagens und blickt in den Himmel. Er sagt: «Der müsste doch längst wieder unten sein.» Mit «der» meint er den Kran, oder besser dessen Hubkette. Gerade eben hatte der Kran eine sechs Meter hohe und knapp drei Meter breite Betonplatte gut 50 Meter die Höhe gezogen. Bis zum obersten Ende des Rohbaus vom neuen Wohnturm.
Dort stehen vier weitere Bauarbeiter auf einem Gerüst. Mit Hammer und Händen sind sie gerade dabei, die Betonplatte, die noch am Kran hängt, an der Fassade zu befestigen. Millimeter um Millimeter schieben sie das knapp sechs Tonnen schwere Bauelement an seinen Platz.
An diesem Donnerstag werden beim Neubau der Mühle Rickenbach die Elemente der Aussenfassade montiert. Seit Anfang Januar sind die Arbeiten in Gang. Bis Ende Februar sollen alle Betonplatten an ihrem Platz sein. Es ist eine anspruchsvolle Arbeit. Manche Platten wiegen bis zu sieben Tonnen.
Der Zeitdruck für die Bauarbeiter ist hoch, die Miete für den Kran teuer. Bisher verläuft aber alles, wie es soll. «Wir liegen im Zeitplan», sagt Thomas Engel. Er ist der Leiter des Grossbauprojekts. Auch Engel steht an diesem Donnerstagvormittag auf der Baustelle und blickt in die Höhe.
Wo während über 100 Jahren die Eberle-Mühle Rickenbach stand, entsteht nun etwas Neues: ein Hochhaus in der 2800-Seelen-Gemeinde Rickenbach. Gut 50 Meter ragt es in die Höhe. Insgesamt entstehen 44 Wohnungen auf 15 Stockwerken. Vor rund zwei Jahren wurde das alte Mühlsilo abgebrochen, im Mai 2019 begann der Bau des neuen Projekts. Wenn die Fassade fertig ist, steht noch die letzte Etappe auf dem Programm: der Innenausbau.
Ab August sollen dann alle Wohnungen bezugsbereit sein. Gemäss Engel sind bisher 50 Prozent der Wohnungen vermietet. Und schon bald, sagt er, werden weitere Mietverträge dazukommen. «Bald sind es 70 Prozent», sagt er. Darüber ist Engel erleichtert. Denn Corona hat auch ihm «Eindruck gemacht», wie er sagt. Wie viele Wohnungen sich in der Krise letztlich vermieten lassen würden, wusste niemand.
Manche der Menschen, die schon bald im Hochhaus neben der Rickenbacher Kirche und dem alten Lagerhaus der Mühle leben werden, kommen von ganz nah, andere von weiter weg. Gemäss Engel stammt gut die Hälfte der bisherigen neuen Mieter aus Rickenbach selber. Die anderen Personen stammten aus Zürich, Winterthur oder St.Gallen. Engel sagt:
«Vor allem Paare haben sich für die Wohnungen interessiert.»
Familien dagegen nur ganz wenige.
Zurück auf der Baustelle: Mittlerweile haben die Bauarbeiter auf dem Gerüst das Teilstück der Fassade befestigt. Der Kran schwenkt herum und lässt die Hubkette wieder herunter. Der Bauarbeiter am Boden macht sich sogleich daran, ein weiteres Element an den grossen Metallhaken zu befestigen. Es ist das fünfte an diesem Tag.
Bis am Abend sollen sieben weitere dazukommen. Die Bedingungen dafür sind gut, das Wetter für die Arbeit ist ideal: Die Sonne scheint und es ist beinahe windstill. Das ist wichtig, denn wenn es windet, kann die Arbeit gefährlich werden. Windböen können die Hubkette mit seiner tonnenschweren Last zum Schwanken bringen. Engel sagt:
«Wenn es stark windet, müssen die Bauarbeiter ganz langsam arbeiten oder sogar ganz aufhören.»
An diesem Donnerstag gehen die Arbeiten insgesamt aber zügig voran. Inzwischen ist es kurz vor Mittag und auch der Eigentümer des neuen Wohnhauses ist auf der Baustelle eingetroffen. Hansjürg Eberle steht im obersten Stock, in der Silostube.
Der Raum soll allen Mietern zur Verfügung stehen, wenn das Hochhaus fertig ist. Hinter Eberle sieht man durch ein grosses Fenster den Säntis, weit in der Ferne. An der Decke hängt ein Mühlrad, ein Zeitzeugnis von damals, als die Mühle noch mit Zahnrädern aus Holz angetrieben wurde.
Hansjürg Eberle war viele Jahre lang der Geschäftsführer der Mühle Rickenbach, als diese noch Getreide mahlte. Für über 100 Jahre war die alte Mühle im Besitz seiner Familie. Doch weil mehrere Teigwarenfabriken und immer mehr kleinere Bäckereien vom Markt verschwanden, hat er 2003 entschieden, den Betrieb der Mühle einzustellen.
Der Abbruch der alten Mühle sei ein denkwürdiger Moment gewesen, sagt er. Dass das Areal der Mühle nun mit dem Neubau wieder Leben erhält, das freut ihn.