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Weitere Untersuchungen will der Regierungsrat nicht in Auftrag geben. Auch eine Informationsstelle für Betroffene sei nicht nötig – das Staatsarchiv habe sich als Anlaufstelle etabliert. Dies antwortet die Regierung auf eine Einfache Anfrage.
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Bereits seit Jahren können Betroffene von Medikamententests und ihre Angehörigen Auskünfte zu individuellen Fällen beim Staatsarchiv einholen. Dort werden die Krankengeschichten der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen bis 1980 aufbewahrt. Diese Möglichkeit werde seit der Publikation von «Testfall Münsterlingen» in «leicht erhöhtem Ausmass» genutzt.
Da Krankengeschichten dem Berufsgeheimnis unterliegen, müssen Angehörige und sonstige Dritte ein Einsichtsgesuch stellen. Wiegt das Interesse auf Akteneinsicht stärker als das Interesse des Patienten oder der Patientin auf Geheimhaltung, wird Akteneinsicht gewährt. Dies erfolgt dabei regelmässig begleitet. Mitarbeitende des Staatsarchivs oder der Psychiatrischen Dienste stehen für Gespräche und Mithilfe bei der Einordnung der Informationen zur Verfügung. Dieses Vorgehen sei bewährt und werde geschätzt. Der Regierungsrat sieht daher keinen Anlass, eigens eine Informations- und Beratungsstelle einzurichten.
Fragestellerin Doris Günter (EVP, Winden) ist überzeugt, dass das Staatsarchiv mit den Anfragen gut umgeht. «Die Mitarbeitenden haben sich die Kompetenzen und das Know-how erworben, um mit der ersten Konfrontation der Antragsteller mit schwierigen und teils traumatischen Geschichten umzugehen.» Da müsse der Kanton sicherstellen, dass dies weiter so funktioniere.
Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen konnten beim Bund ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag einreichen. Davon haben mehrere Personen aus dem Thurgau, darunter auch von Medikamentenversuchen betroffene, Gebrauch gemacht. Doch diese Frist ist am 31.März 2018 abgelaufen. Dass sicher einige diese verpasst haben, erachtet der Regierungsrat als störend. Er würde eine Verlängerung der Frist begrüssen. Auf Bundesebene sind zwei Vorstösse zu diesem Thema hängig.
Allerdings wurden bisher vom Bund die Anträge abgewiesen, die von Betroffenen von Medikamententests kamen, ohne dass diese gleichzeitig Betroffene von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen gewesen sind. Ob das Gesetz tatsächlich so zu verstehen sei, wäre in einer Revision zu klären, schreibt die Thurgauer Regierung.
Der Thurgauer Regierungsrat wird auf dem alten Spitalfriedhof in Münsterlingen ein Zeichen der Erinnerung für die Betroffenen von Medikamententests errichten. Nun teilt er mit:
«Weitere Massnahmen der Wiedergutmachung sind keine geplant.»
Denkbar sei, dass dereinst eine finanzielle Entschädigung für die Betroffenen eingerichtet wird. In diesem Fall werde sich der Regierungsrat «für eine schweizweit einheitliche Entschädigungslösung unter Beteiligung der Pharmaindustrie einsetzen».
Alle denkbaren Aspekte der Medikamentenversuche wissenschaftlich bearbeiten zu lassen, wäre ein nie endendes Unterfangen, schreibt der Regierungsrat. Bei gewissen Fragen seien nun auf die ganze Schweiz fokussierte Forschungen nötig. Eine Mitfinanzierung solcher Bemühungen durch den Kanton Thurgau wäre zu prüfen.
Dass die Kantonsregierung bei Fragen zu weiteren Untersuchungen unverbindlich antwortet, findet Doris Günter schade. Sie sagt:
«Es gibt meiner Meinung nach noch Fragen zu den konkreten Geschehnissen in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen, die der Kanton Thurgau selber weiterverfolgen müsste.»
Namentlich sei in der Studie festgehalten, dass Fragen zu den ungeklärten Todesfällen in Münsterlingen offen bleiben.