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Wegen einer Lärmklage müsste Bernadette Ackermann 100 Franken Busse bezahlen. Doch die Wirtin des Restaurants Sonne geht lieber für einen Tag ins Gefängnis. Um ein Zeichen zu setzen, sagt die Gastropräsidentin.
«Du kannst ja in der Gefängnisküche arbeiten», witzelt ein Stammgast. Bernadette Ackermann lacht. Die Wirtin der Busswiler «Sonne» hat ihren Humor offensichtlich nicht verloren. Ganz im Gegenteil. Dabei ist ihre Geschichte, die der «Blick» gestern publizierte, Thema Nummer eins in der beliebten Dorfbeiz.
Diese Geschichte nahm am 19. Juli ihren Anfang. An diesem lauen Sommerabend feierte Bernadette Ackermann mit Gästen den Geburtstag ihres Lebenspartners – draussen in der Gartenlaube ihres Restaurants. «Bis 22 Uhr hatten wir Musik», sagt sie. «Danach nicht mehr.» Dennoch fährt kurz nach halb elf die Polizei vor. Ein Anwohner habe sich über den Lärm beschwert. Wer es war, dürfen die Beamten nicht sagen. Das Gros der Gesellschaft wechselt ins Innere des Restaurants, nur ein kleines Grüppchen bleibt draussen. «Aber ohne Musik und wirklich nicht laut», bekräftigt Bernadette Ackermann im Gespräch mit unserer Zeitung. Dennoch kreuzt die Polizei kurz vor Mitternacht zum zweiten Mal auf. Eine weitere Lärmklage ist eingegangen, mutmasslich vom selben Anwohner. Die «Sonne»-Wirtin kassiert eine Strafanzeige.
Im September trudelt dann der Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft in Busswil ein: 100 Franken Busse und nochmals 100 Franken für Schreibgebühren. Keine grosse Sache eigentlich. Aber Bernadette Ackermann gibt sich trotzig. «Diesen Seich bezahle ich nicht», sagt sie. Die zehntägige Einsprachefrist lässt sie ungenutzt verstreichen. «Ich hatte im September Metzgete. 930 Essen in fünf Tagen. Ich hatte weiss Gott besseres zu tun, als mich um sowas zu kümmern.»
«24 Stunden ins Gefängnis? Das mache ich, habe ich mir spontan gesagt.»
Schliesslich erkundigt sie sich dann aber doch bei der Staatsanwaltschaft, was man da machen könne. «Die Damen dort waren wirklich sehr nett», erzählt sie. Die Schreibgebühr müsse sie so oder so bezahlen. Aber die 100 Franken Busse könne sie auch einen Tag lang im Gefängnis absitzen. Von morgens bis abends, habe sie noch gefragt. Die Wirtin lacht wieder. Nein, 24 Stunden lang. «Das mache ich», habe sie sich spontan gesagt. Ganz sicher nicht, um die 100 Franken zu sparen, beteuert Ackermann. Die 51-Jährige will ein Zeichen setzen. Gegen einen gesellschaftlichen Trend, an dem sie sich zunehmend stört. «Ich wirte hier seit 25 Jahren, im Gastgewerbe bin ich seit 36 Jahren.» Lärmklagen habe es schon immer gegeben, das gehöre irgendwie schon fast dazu – aber: «Früher sind die Leute direkt zu mir gekommen, wenn sie etwas gestört hat.» Heutzutage verstecke man sich, bleibe anonym, stehe nicht mehr hin. Sieben Mal alleine dieses Jahr sei das passiert, seit dem 19. Juli indes nicht mehr. «Uns, die wir krampfen und alles pünktlich bezahlen, uns plagt man», sagt sie, betont aber auch: «Nein, ich bin nicht hässig. Ich nehme es mit Humor.» Und vielleicht lese die Person, die lieber die Polizei anruft, anstatt mit ihr das Gespräch zu suchen, ja auch Zeitung.
Davon ist auszugehen. Jedenfalls hat die Geschichte längst die Runde gemacht. Nicht nur im Dorf. «Ich erhalte Anrufe aus der ganzen Schweiz», freut sich Ackermann. Bekannte, Journalisten, Stammgäste, ein ehemaliger Koch, gar ein Gefängnisbetreuer hätten ihr telefoniert. Jemand habe auch angeboten, die 100 Franken Schreibgebühr zu übernehmen. «Einzig von meinen Wirtekollegen habe ich noch nichts gehört», wundert sich die Präsidentin des Hinterthurgauer Wirteverbandes. «Aber die müssen halt arbeiten, haben keine Zeit, um die Zeitung zu lesen.» Bernadette Ackermann lacht erneut. Nicht zum letzten Mal an diesem ereignisreichen Tag.