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Die Pädagogische Hochschule Thurgau setzt seit diesem Semester eine Erkennungssoftware ein. Im Vordergrund steht die Sensibilisierung der Studierenden für das korrekte wissenschaftliche Arbeiten.
Einen Fall wie den von Karl-Theodor zu Guttenberg sucht man an der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) vergeblich. Nachdem der damalige deutsche Verteidigungsminister des Plagiats überführt worden ist, war er nicht nur seinen Doktortitel los, sondern legte 2011 auch alle seine politischen Ämter nieder. In der Schweiz machten Plagiatsaffären in den vergangenen Jahren ebenfalls Schlagzeilen. Darauf will die PHTG auch in Zukunft verzichten.
Deshalb setzt die einzige Hochschule auf Thurgauer Boden seit diesem Semester eine Plagiatserkennungssoftware ein. «Wir haben uns nach einer ausführlichen Wettbewerbsanalyse für den Anbieter Turnitin entschieden», sagt Katrin Seiter. Sie ist Studiengangskoordinatorin an der PHTG und verantwortlich für dieses Projekt. «Diese Software wird weltweit an über 15000 Institutionen eingesetzt.» Es handelt sich um ein webbasiertes Werkzeug. Studentinnen und Studenten können sich von überall in die Kurse einloggen, für welche sie schriftliche Arbeiten einreichen müssen. Ihre Arbeiten laden sie selbstständig auf den Server hoch.
«Die Software ist einfach und intuitiv zu bedienen», sagt Seiter. Binnen Minuten zeigt sie durch einen ermittelten Prozentwert an, wie hoch die Übereinstimmungsrate mit bereits veröffentlichten Arbeiten und Quellen im Internet ist. Die Software nimmt einen Abgleich mit mehr als 45 Milliarden Internetseiten, Studierendenarbeiten, Zeitschriften und anderen wissenschaftlichen Inhalten vor. Bei einer Demonstration in Kreuzlingen zeigt sich, dass die Software auch gleich die primäre Quelle anzeigt. Wenn der Prozentsatz der Übereinstimmung hoch ist, müsse das nicht heissen, das ein Verstoss gegen die wissenschaftliche Redlichkeit vorliegt. Das sagt Matthias Fuchs, Gesamtleiter Studiengänge und Dozent für Medien und Informatik. «Entscheidend ist», sagt er, «dass die Primärquelle korrekt und nach wissenschaftlichen Grundsätzen zitiert wird».
Die Einführung der Software gründet nicht auf einer Häufung von Plagiatsfällen in Kreuzlingen. «Wir sind nicht gleich herausgefordert wie Universitäten», sagt Fuchs. An der PHTG würden schon seit jeher Arbeiten 1:1 betreut werden. «Wir finden aber, es gehört heute für eine moderne Hochschule zum Standard.» Pro Jahr weise die PHTG vielleicht bei fünf bis zehn Leistungsnachweisen Plagiate nach – bei den rund 200 Bachelor- und Masterarbeiten liegt die Zahl mit circa zwei bis drei Fällen deutlich darunter. «In solchen Fällen gibt es einen Verweis oder es wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet», sagt Fuchs. Er betont, dass nicht jedes Plagiieren Absicht ist. «Manchmal gehen die Zitierregeln auch einfach vergessen.» Mit der Software soll dies vor Einreichen von schriftlichen Arbeiten erkannt werden. Die PHTG stellt den Studierenden daher das Tool zur Verbesserung ihrer persönlichen Schreibkompetenz auf freiwilliger Basis für die gesamte Studiendauer zur Verfügung.
Im Vordergrund steht für die Hochschule die Prävention. Und zwar in doppelter Hinsicht. Einerseits sollen die Studentinnen und Studenten für das wissenschaftliche Arbeiten sensibilisiert werden. «Es geht aber auch darum, dass die zukünftigen Lehrpersonen ihren Schülern den korrekten Umgang mit Quellen vermitteln können», sagt Fuchs. Denn: Den heutigen Schülerinnen und Schülern steht – für Vorträge etwa – im Internet eine Fülle von Informationen jederzeit zur Verfügung. «Bei früheren Generationen gab es meist nur zwei Quellen: Der Lehrer und das Schulbuch», sagt der Gesamtleiter Studiengänge.
Beim Einsatz der Software setzt die Hochschule auf hohe Standards bezüglich Datenschutz. Die Arbeiten werden anonymisiert hochgeladen – die Namen der Studierenden und der Betreuungspersonen tauchen nicht auf. «Damit setzen wir eine Empfehlung des kantonalen Datenschutzbeauftragten um», sagt Fuchs. Zudem müssen die Studentinnen und Studenten – wie bis anhin – schriftlich erklären, dass sie die Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst haben. Neu bestätigen sie zudem, dass sie mit der softwaregestützten Überprüfung ihrer Arbeit einverstanden sind.
Derzeit führt die PHTG Software-Workshops für Dozierende durch. Für Studierende stehen Hilfsmittel wie Video-Tutorials und Handouts bereit. «Wir haben auch eine Art E-Mail-Hotline eingerichtet», sagt Katrin Seiter. An diese können sich Studierende mit Fragen und Anmerkungen wenden. Der grosse Praxistest steht im Frühling 2019 an: Wenn die ersten Bachelor- und Masterarbeiten hochgeladen werden. «Dann sehen wir, ob die Software unseren Anforderungen entspricht», sagt Seiter. «Ein Abbau des Betreuungsaufwands ist nicht die Absicht», versichert Fuchs.