1.August in Oberneunforn: Plädoyer fürs Heimweh

Eine rhetorische Meisterleistung bot Hansrudolf Frey an der Neunforner Bundesfeier. Der letzte Huber-Verlagsleiter sprach über die Melioration im Kopf.

Mathias Frei
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Auf dem Forsthof Oberneunforn: Hansrudolf Frey. (Bild: Mathias Frei)

Auf dem Forsthof Oberneunforn: Hansrudolf Frey. (Bild: Mathias Frei)

Für Hansrudolf Frey ist Nüfere überall. Für ihn, den Stadtbub aus Winterthur, der mittwochnachmittags mit dem Velo nach Nüfere in die Herrengasse zu Tante Marteli pedalte. «Heimat, das sagen wir nur, wenn niemand zuhört», sagt Frey zu den hundert Neunfornerinnen und Neunfornern, die am 1.August-Abend zum Festplatz beim Forsthof gekommen sind. Aber das 1.August-Abzeichen trage man sowieso auf der Seele, «dött, wos mängmol rippsched». Frey wirkte während insgesamt 35 Jahren beim Huberverlag in Frauenfeld, die letzten 15 Jahre war er Verlagsleiter. Bis zum Schluss.

«Das 1.August-Abzeichen trägt man sowieso auf der Seele, ‹dött, wos mängmol rippsched›.»
(Hansrudolf Frey)

Eigenwillig, aber furchtbar herzlich gesteht er Neunforn gewissermassen seine Liebe. Wenn er von Frauenfeld nach Schaffhausen fahre, eigentlich: «Wenn ich irgendwo in der Gegend bin, fahre ich immer durch Nüfere. Ich muss einfach.» Sei wohl eine Form von Heimweh. «Wir sollten vielleicht mehr Heimweh haben. Damit wir wieder einmal wissen, was wir verloren haben. Damit wir wieder einmal wissen, was wir verlieren könnten, bevor wir es dann unwiderruflich verloren haben.» Frey wählt seine Worte mit Bedacht, wechselt ab und an in die Mundart – dann, wenn es «rippsched» am Herz.

Nüfere-Hefte als Beispiel für die Pflege der Heimat

Das Leben sei keine 1.August-Festhütte, «bestenfalls ein holpriger Kompromiss», stellt Frey fest. Und man mag ihm ob solcher Bilder applaudieren. Die Zeit der «ganz grossen Taten», der Fruchtbarmachung der Felder sei vorbei. Vielmehr finde die Melioration heute im Kopf statt. Frey denkt dabei an die lokalhistorische Reihe der Nüfere-Hefte. «Gibt es ein schöneres Beispiel für die Pflege der Heimat als eine solche Heftreihe?» Und zum Schluss fordert Frey auf: «Hebed em Heim, hebed Nüfere Sorg.» Festhalten, aber nicht zu fest, auf dass sich Nüfere verändern und «immer von neuem ein wunderbares Dorf sein kann».

«Das Leben ist keine 1.August-Festhütte,bestenfalls ein holpriger Kompromiss.»
(Hansrudolf Frey)

Und nächsten Donnerstag kann Frey seiner Tante Marteli von dieser Bundesfeier erzählen, wenn er sie im Altersheim in Oberstammheim besucht, wie er dies regelmässig tut. Er kann ihr von der neunköpfigen Steel-Drums-Band Abracadabra erzählen, die einen musikalisch in die Karibik entführt hat, vom Risotto und den feinen Grilladen, vom Nüfermer Wein. Und er wird ihr vielleicht auch von der Handvoll initiativer Nüfermer Einwohner erzählen, welche die Bundesfeier organisiert hat, weil kein Verein dafür zu finden war.

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