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Wer muss nach dem Konkurs die ausstehenden Sozialabgaben der Firma bezahlen? Vor dem Verwaltungsgericht schieben sich eine Geschäftsführerin und ein Verwaltungsrat gegenseitig die Verantwortung zu.
Der Firma ging es schon lange schlecht. Und dann sei auch noch der Euro-Mindestkurs aufgehoben worden. Bemühungen, den Konkurs noch abzuwenden, schlugen fehl. Die ehemalige Geschäftsführerin einer Druckerei im Mittelthurgau erzählt am Mittwoch vor dem Thurgauer Verwaltungsgericht, wie sie mit Mitte 50 viel Geld verlor und in die Arbeitslosigkeit abgerutscht sei.
Nach dem Konkurs war die Misere nicht überstanden. Hinter dem geschossenen Firmentor türmt sich noch ein Schuldenberg, der sich nicht so einfach aus dem Weg räumen lässt. Es sind nicht bezahlte Sozialabgaben. Sie dürften sich auf rund 185'000 Franken belaufen. Für diese Rückstände muss jemand die Verantwortung übernehmen, fordert die Ausgleichskasse des Thurgauer Gewerbeverbandes, die in diesen Fall involviert ist. Sie ist verantwortlich für das Inkasso der nicht bezahlten Sozialabgaben und fordert deshalb die ausstehenden AHV-Beiträge von der ehemaligen Firmenverantwortlichen ein.
Die Forderung nach den offenen Beträgen führt zum Gang vor das Verwaltungsgericht. Dort schieben sich die ehemalige Geschäftsführerin und der einstige alleinige Verwaltungsrat den schwarzen Peter gegenseitig zu. Für die Geschäftsführerin ist klar, dass der Verwaltungsrat die Verantwortung tragen müsse.
Sein Anwalt zeichnet hingegen ein anderes Bild, spricht von einer intransparenten Geschäftsführerin. Sie habe dem Verwaltungsrat wichtige Informationen bewusst vorenthalten. «Weder eine letzte Mahnung noch ein Zahlungsbefehl und auch nicht eine Konkursandrohung regte sie an, den Verwaltungsrat zu informieren.» Dieser Fall glänze durch grobe Fahrlässigkeit der Geschäftsführerin. Auch über Ausstände bei der Ausgleichskasse habe sie nicht informiert. Der Verwaltungsrat könne nicht wissen, was die Geschäftsleitung hartnäckig verschweige. Vielmehr müsse sich dieser darauf verlassen können, dass er korrekt informiert werde. Sein Mandant habe sogar immer wieder unentgeltlich geholfen und mit einem Darlehen die Weiterführung des Betriebs gesichert. «Zum Dank wird er jetzt angeschwärzt und soll schuld sein für den Schaden.»
Vieles dieser Ausführungen würde nicht der Wahrheit entsprechen, entgegnet die Geschäftsführerin. «Nun will er von allem nichts gewusst haben.» Dabei habe er monatlich Buchhaltungsunterlagen erhalten. Auch Betreibungsauszüge seien ihm vorgelegt worden.
Der Sohn der Geschäftsführerin sieht sich ebenfalls mit Forderungen der Ausgleichskasse konfrontiert. Nach dem Rücktritt des Verwaltungsrates übernahm er dieses Amt für die letzten Monate der Firma. Er habe keinerlei Einfluss gehabt auf den bereits entstandenen Schaden, machte seine Anwältin deutlich. In seiner Zeit als Verwaltungsrat seien die Sozialabgaben bezahlt worden, ausserdem habe er versucht, die Altlasten abzubauen. Er könne nicht haftbar gemacht werden.
Nur in einer Sache sind sich die einstigen Chefs und deren Anwälte einig. Die Ausgleichskasse hätte zu lange zugeschaut, Stundungen gewährt und so den finanziellen Schaden der Firma vergrössert. Die Leiterin der Ausgleichskasse nahm dazu keine Stellung. Sie betonte vor Gericht lediglich, dass die Kasse an den Forderungen festhalte. Das Urteil folgt.