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Kreative Köpfe aus einem Klan: Das generationsübergreifende Familienwerk aus Stettfurt geht nach drei Ausstellungen weiter. Mit einem grossen Traum.
Die Triebfeder gibt nicht nach. Im Gegenteil: Die Mitglieder des Familienwerks sind motivierter denn je. «Im März reise ich auf die Azoren, um dort in einem Haus drei neue Küchen einzubauen», sagt der bald 80-jährige Pensionär Fritz Borcherding.
Die knapp zwei Dutzend Mitglieder des generationsübergreifenden Klans mit Familiennamen Borcherding, Schai und Zuliani aus Stettfurt spannen seit über zehn Jahren zusammen, um ihrer gemeinsamen Leidenschaft nachzugehen: kreativ sein.
Architektur, Mechanik, Floristik, Holzwerke, Malerei, Bildhauerei, Imkerei, Schriftstellerei, Marketing, Musikalisches, Multimediales, Kochen und Backen: Die Erzeugnisse aus dem Familienwerk sind mannigfaltig und nicht nur materieller Natur.
«Bei der letzten Ausstellung im vergangenen Jahr im Frauenfelder Eisenwerk war ich eine motivierte Hilfskraft»
sagt Timon Borcherding, aus der mittlerweile dritten Generation. Nach dem Debüt in der Walzmühle und im Stettfurter Tscharnerhaus war es bereits die dritte erfolgreiche Ausstellung des Familienwerks.
Kreative Köpfe seien sie alle, geben die Cousinen Rebekka Schai (Text/Bild) und Tiana Borcherding (Grafik/Marketing) zu. «Wir teilen unsere Passion, was uns stark zusammenschweisst», sagen sie. «Unser Projekt ist einzigartig», meint Fritz Borcherding, den seine Enkel liebevoll «Grogro» nennen. Sein Motto: «Ausser man tut es.»
Dass es das Familienwerk überhaupt gibt, verdankt der Klan der Liebe. In Hannover erlebte Fritz Borcherding als Kind den Zweiten Weltkrieg und all seine Schattenseiten hautnah mit, zog später als Schreinergeselle durch Europa, bis er Ende der 60er-Jahre in die Schweiz zurückkehrte und bei der Frauenfelder Schreinerei Roost Arbeit fand. Dort verliebte er sich in die damalige Lehrtochter Ruth – später notabene die erste Schreinerin im Thurgau – und gründete mit ihr zunächst eine Familie und später ihre Schreinerei in Stettfurt, was überhaupt erst den Start des Familienwerks ermöglichte.
So richtig zum Fliegen kam es durch das grosse Engagement der im vergangenen Jahr verstorbenen Frau, Mutter und Grossmutter. «Sie war der Kitt und hat alles zusammengeschweisst», sagt Sohn Tom Borcherding (Mechaniker, Schmied, Musiker in Bluesgrass-Bands).
Als kleinen, familiären Gewerbeverband bezeichnet Rainer Borcherding (Architekt) das Familienwerk. Zuletzt sei es etwas schwieriger geworden, alle an einen Tisch zu bringen. Er meint:
«Wenn es aber wie bei der Ausstellung im Eisenwerk darum geht, etwas zu erreichen, sind alle mit viel Herzblut dabei.»
Seine Schwestern pflichten ihm bei, die an die Anfänge in der Werkstatt der familieneigenen Schreinerei zurückdenken. «Unsere kreativen Ideen konnten wir mit Hilfe unserer Eltern schon immer umsetzen», sagt Sonja Zuliani (Bilder/Skulpturen). «Und heute geben wir auch unseren Jungen eine Plattform», ergänzt Iris Schai (Floristin).
Im Familienwerk mit an Bord ist übrigens auch der externe Familienzuwachs. «Unsere Schwägerinnen und Schwäger helfen alle mit», sagt Rainer Borcherding. Und er ist auch begeistert, dass die Jungen alle dynamisch mitziehen. «Mal habe ich mehr Lust, mal weniger», offenbart Timon Borcherding. Die selbst ernannte Generation 3 jedoch könne nicht nur innerhalb des Familienwerks, sondern auch ausserhalb profitieren von den gebündelten, künstlerischen Fähigkeiten.
Was die Zukunft betrifft, ist man sich beim Familienwerk einig, wie alle von Alt bis Jung unisono betonen: «Es muss weitergehen.» Dass sich der Wunsch erfüllt, beweist Natascha Schai mit ihrem Björkhaus in Frauenfeld. Ein grosser Traum ist zudem ein eigenes Familienwerkhaus. Iris Schai schwärmt:
«Es wäre genial, wenn wir alle unsere kreativen Adern in einem Atelier unter einem Dach ausleben könnten.»
Die Pläne seien noch unkonkret und deshalb Zukunftsmusik. «Rainer muss halt zuerst planen», meint Sonja Zuliani und lacht. Übrigens: In der Frauenfelder Schreinerei Roost absolviert Lorin Borcherding derzeit seine Lehre. Also just dort, wo seine Grosseltern sich vor Jahrzehnten kennen und lieben gelernt haben. Ohne gäbe es heute das Familienwerk nicht.