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Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
Am Dienstagnachmittag versteigerte das Konkursamt Thurgau ein Fahrzeug. Bei der Auktion ging es emotional zu und her.
Schon vor dem Beginn der Konkursversteigerung liegt Spannung in der Luft. Grund dafür ist nicht nur der bevorstehende Verkauf eines Mercedes Benz. Keiner der 30 Interessierten kommt am Dienstagnachmittag umhin zu bemerken, dass ein Herr lautstark mit vier Beamten der Kantonspolizei Thurgau streitet. «Hört sofort auf, mich aufzuregen», schreit der wütende, zirka 50-jährige Mann. Knapp 20 Meter weiter, vor einer Industriehalle in Frauenfeld Ost, steht ein verstaubter Mercedes Benz 280 SE/C , der offenbar dem wütenden Herrn gehört beziehungsweise gehört hat. Nach einigen Minuten aber entschärft die Staatsgewalt die Situation, und pünktlich um 14.30 Uhr kann mit dem Bieten begonnen werden.
Die Versteigerung leitet der stellvertretende Abteilungsleiter des Konkursamtes Thurgau, Jürg Wacker. Zu Beginn liest er die Steigerungsbedingungen vor. Dazu zählt unter anderem, dass der Zuschlag nur bar erfolgen darf, dass keine Schlüssel für das Auto vorhanden sind oder dass der ersteigerte Gegenstand sofort wegzutransportieren ist. Mittlerweile hat sich auch der letzte Besitzer des Autos samt Ehefrau und Sohn zur Menge der potenziellen Käufer dazu gesellt.
Ein Herr in Lederjacke startet mit einem ersten Gebot von 500 Franken. Keine drei Sekunden später sind schon 1000 Franken geboten. Auf die Mindesterhöhung von 500 Franken wird keine Rücksicht genommen, und so schaukelt sich der Fahrzeugpreis in Tausenderschritten nach oben. Von den 30 Teilnehmer sind gerade mal fünf aktiv an der Versteigerung beteiligt. Auch der ehemalige Besitzer schreit immer wieder kurz vor dem «zum Dritten»-Ruf, ein höheres Angebot in die Runde.
Nach weniger als fünf Minuten ist die Versteigerung vorbei. Ein Herr bekommt wenige Augenblicke nach seinem letzten Gebot von 31500 Franken einen anerkennenden Applaus von fast allen Mitbietern. Nur der nun ehemalige Besitzer schaut griesgrämig aus der Wäsche. Der Käufer des Wagens hat nicht ausreichend Bargeld dabei, und das Konkursamt Thurgau gibt ihm 15 Minuten für den Weg zur Bank und zurück. Kehrt der Gewinner nicht innerhalb dieser Viertelstunde zurück, startet die Versteigerung erneut mit dem zweithöchsten Gebot.
Der ehemalige Besitzer steht mittlerweile abseits der Menge. Das Auto sei nicht zu seinem echten Wert verkauft worden, sagt er. «Es ist bestimmt noch 200000 Franken wert». Grund für diese hohe Einschätzung ist wohl eine emotionale Bindung zum Fahrzeug. «Ich habe das Auto für meinen Sohn gekauft», sagt der Mann. «Das Konkursamt nahm es mir vor fünf Jahren. Aber ich werde mit meinem Anwalt bis vor Bundesgericht gehen.»
Wie Wacker sagt, eröffnete das Bezirksgericht Meilen im November 2014 den Konkurs. «Zuständig für die Durchführung des Verfahrens ist das Konkursamt Männedorf.» Das Konkursamt Thurgau sei rechtshilfemässig für die sich im Kanton befindlichen Gegenstände zuständig. «Die Verwertung des Autos erfolgte erst jetzt, weil sich der Schuldner erfolglos dagegen gewehrt hat», sagt Wacker. Die Polizei habe man aus Sicherheitsgründen beigezogen.
Ansonsten ist Wacker mit der Versteigerung zufrieden. «Für ein Automodell, das es nur 3270-mal gibt, haben wir einen fairen Preis ausgehandelt.» Kurz vor dem Ablaufen der fünfzehn Minuten fahrt ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf den Parkplatz, und der Gewinner steigt mit einem überfüllten Briefumschlag aus. Wacker reicht ihm die Hand, er unterschreibt den Kaufvertrag, das Auto gehört ihm. «Das ist mal was anderes», sagt der Herr auf die Frage, wieso er um das Auto mitgeboten habe. «Ich hatte noch nie einen Mercedes.»
Glücklich ziehen der Versteigerungsleiter, der Gewinner und die Zuschauer von dannen. Der Parkplatz leert sich. Nur in einem dunklen Auto sitzt noch der ehemalige Besitzer. Er schaut betrübt und wütend über sein Lenkrad ziellos auf den Parkplatz hinaus.