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Der Thurgau weist im Regierungsrat eine Frauenmehrheit auf, die Generalsekretariate der fünf Thurgauer Departemente werden von Männern geführt. Der Kanton Thurgau findet: Die Grundlagen für Gleichstellung sind da.
Die Generalsekretariate der fünf Thurgauer Departemente werden von Männern geführt. Bei zwei Departementen – Inneres und Volkswirtschaft sowie Justiz und Sicherheit – sind zudem alle Amtsleiter männlich. Auf dieser Kaderstufe haben Frauen in der Thurgauer Verwaltung nirgends die Mehrheit – im Gegensatz zum Regierungsrat.
Die mehrheitlich weibliche Exekutive des Kantons anerkennen auch vier SP-Kantonsrätinnen, welche die Interpellation «Gleichberechtigtes Arbeiten beim Kanton Thurgau, den Gerichten und selbstständigen Anstalten» eingereicht haben. Dass drei Frauen in der Regierung sitzen, würde aber nur «auf den ersten Blick vermuten lassen, dass die Gleichstellung von Frau und Mann im Kanton bestens funktioniert».
Am Freitag wurde die Antwort auf die Fragen von Edith Wohlfender (Kreuzlingen), Nina Schläfli (Kreuzlingen), Sonja Wiesmann (Wigoltingen) und Marina Bruggmann (Salmsach) veröffentlicht. Darin gibt der Regierungsrat auch Auskunft über die oben erwähnte Frauenvertretung im Kader.
Angaben gibt es auch zu den kantonalen Anstalten: Der Frauenanteil im Kader der Kantonalbank ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. 2018 betrug er 27,9 Prozent. Der Regierungsrat schreibt aber:
«Für die Vakanzen der letzten Jahre in der Geschäftsleitung etwa ging keine einzige weibliche Bewerbung ein.»
Die Pädagogische Hochschule dagegen wird von einer Frau geleitet, die weiteren Führungspositionen sind von zwei Frauen und zwei Männern besetzt. Bei der Pensionskasse sind Direktor, stellvertretender Geschäftsführer sowie der Ressortleiter männlich. Zwei weitere Männer und sieben Frauen arbeiten dort. Ebenfalls keine Frau im Kader weist derzeit die Gebäudeversicherung auf.
Bei den Gerichten des Kantons liegt der Frauenanteil im Kader bei 45 Prozent. In der Kantonsverwaltung bei 27 Prozent. Diese Zahl hat Edith Wohlfender erwartet, sie sei immer noch viel zu tief. Die SP-Kantonsrätin sagt:
«Wir sind etwas enttäuscht, dass die Regierung ihre Antwort nicht tiefergehend erläutert hat.»
Schliesslich sei nach dem Frauenstreik versprochen worden, die Frauenförderung in die Agenda aufzunehmen. Wichtig seien Vorbilder, die zeigen, dass eine Mutter beruflichen Erfolg und Familie unter einen Hut bringen könne.
In seiner Antwort zählt der Regierungsrat die rechtlichen Grundlagen auf, die bei der kantonalen Verwaltung die Gleichberechtigung gewährleisten sollen. Zum Beispiel gibt es jährlich intern erhobene Kennzahlen, die analysieren, wie viele Männer und wie viele Frauen angestellt sind und wie die Beschäftigungs- sowie die Besoldungsstruktur pro Geschlecht aussehen.
Zum Stichwort Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau wurden im Grossen Rat schon verschiedene Vorstösse eingereicht. Unter anderem verlangte 2005 eine Motion, dass kantonalen Mitarbeiterinnen und Lehrerinnen während des 16-wöchigen Mutterschutzes der volle Lohn ausbezahlt wird. Bis dahin erhielten sie maximal 5160 Franken brutto pro Monat. Die Motion wurde angenommen. 2011 diskutierte der Grosse Rat über die Interpellation «Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau». Damals sagte der zuständige Regierungsrat: «Das Thema ‹Lohngleichheit› haben wir in der kantonalen Verwaltung verinnerlicht.» Und weiter: «Es gibt noch einiges zu tun. Der Regierungsrat bleibt dran.» 2017 thematisierte eine Einfache Anfrage die Charta für Lohngleichheit im öffentlichen Sektor. Weil der Kanton die Anliegen bereits erfülle, sah der Regierungsrat von einer Unterzeichnung ab. Daran änderte auch ein Antrag nichts, mit dem der Regierungsrat 2018 damit hätte beauftragt werden sollen. Der Grosse Rat lehnte dies ab. Kurz nach dem Frauenstreik im Juni wurde der Regierungsrat gefragt, was er mit den Forderungen zu tun gedenke. 15 damals eingereichte Petitionen hat die Kantonsregierung schriftlich beantwortet. Eine öffentliche Diskussion habe im Grossen Rat stattzufinden. (lsf)
Teilzeitbeschäftigung ist beim Kanton grundsätzlich für alle Funktionen möglich – wenn die Aufgabenerfüllung dies zulässt. Auch kennt der Kanton das Modell der Jahresarbeitszeit, das den Mitarbeitern Flexibilität ermöglicht. Die obersten Führungskräfte erhalten zudem anstelle von bezahlten Überstunden jährlich 42 Stunden gutgeschrieben, die sie zum Beispiel nach der Geburt eines Kindes einsetzen können.
Der Kanton richtet seinen Angestellten weiter eine freiwillige Familienzulage von 225 Franken pro Monat aus. Auch könne dem Wunsch nach einem reduzierten Pensum nach der Geburt in der überwiegenden Mehrheit der Fälle nachgekommen werden.
Wohlfender wünscht sich vom Kanton zusätzlich, dass er Tagesstrukturen in den Gemeinden einfordert. Oft heisse es dort, der Bedarf sei zu klein. «Das ist dann das gleiche wie bei der Frage, ob Huhn oder Ei zuerst war», sagt die Kantonsrätin. Komme ein Kind in den Kindergarten, hätten arbeitstätige Eltern ein Problem. Über Mittag und nach Schulschluss brauche es Tagesstrukturangebote.
Das Thema Gleichstellung liegt Wohlfender sehr am Herzen: «Ich fühle mich manchmal ohnmächtig, wenn ich sehe, dass sich in den letzten 30 Jahren nicht viel verändert hat.» Es müsse sich eine Selbstverständlichkeit entwickeln:
«Gleichstellung beginnt zum Beispiel auch damit, dass Eltern selbstverständlich zu Hause bleiben können, wenn ihr Kind krank ist.»
In Kaderpositionen gebe es immer noch die gläserne Decke, die Frauen den Aufstieg erschwere. Dabei wäre das auch wegen des Fachkräftemangels wichtig: «Es bringt nichts, wenn wir junge Frauen gut ausbilden und sie danach zu Hause bleiben.»