Zwei Kantonsräte hinterfragen das Nehmen und Geben zwischen Landwirtschaftsamt und Bauernverband. Die Zusammenarbeit sei «kritisch», schreiben sie in einer Einfachen Anfrage an die Kantonsregierung.
Der Staat verschafft den Bauern mit seinen Direktzahlungen einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens. Damit der Staat das tut, übt der Bauernverband seinen Einfluss aus. Das Geld, das der Bauernverband für seine Tätigkeit braucht, erhält er von seinen Mitgliedern. Im Thurgau und einer Reihe anderer Kantone zieht der Staat die Mitgliederbeiträge von den Direktzahlungen ab und überweist sie dem Bauernverband direkt.
Über den geschlossenen Geldkreislauf wundern sich die Kantonsräte Stefan Leuthold (GLP, Frauenfeld) und Beat Pretali (FDP, Altnau). Mit einer Einfachen Anfrage an den Regierungsrat verlangen sie Auskunft dazu. Er sehe die Zusammenarbeit Amt-Verband «sehr kritisch», sagt Pretali. Die Frage sei, ob ein Verband bevorzugt werde oder der Kanton auch für andere Verbände Beiträge einziehe. Wenn die Aufgabenteilung zwischen Ämtern und Verbänden sauber geregelt sei, habe er kein Problem damit.
Leuthold hat das Thema in der Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission aufgebracht. Er habe zur Antwort erhalten, «das seien gewachsene Strukturen, das habe sich so eingespielt». Konsequenterweise müsste laut Leuthold auch das Strassenverkehrsamt die Mitgliederbeiträge des TCS oder des VCS einziehen und das Steueramt jene der Industrie- und Handelskammer oder des Gewerbeverbands. Leuthold und Pretali betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, die Bauern anzugreifen.
Die Bauern können wählen, ob der Mitgliederbeitrag von den Direktzahlungen abgezogen werden soll, sagt Jürg Fatzer, Geschäftsführer des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL). Wenn sie alljährlich über ein Internetformular ihre Direktzahlungen beantragen, können sie ihre Präferenz durch ein Häkchen markieren. Laut Fatzer verlangt rund ein Viertel der VTL-Mitglieder die Rechnung vom Verband.
In der «Tagesschau» vom 8. Februar, auf die sich Leuthold und Pretali beziehen, sagte der Zürcher Staatsrechtler Andreas Glaser, der Staat brauche eine gesetzliche Grundlage, um eine Dienstleistung wie das Inkasso der Verbandsbeiträge zu erbringen. Das Einverständnis des Bauern genüge nicht.
Für die liberale Denkfabrik Avenir Suisse, die im Fernsehbeitrag ebenfalls erwähnt wurde, handelt es sich um ein Beispiel für «die unglaubliche Vielfalt im Bereich der landwirtschaftlichen Subventionen». Es gebe einen Zusammenarbeitsvertrag mit dem Kanton, erklärt Daniel Vetterli, VTL-Co-Präsident: «Es sind keine versteckten Subventionen.»
Der Einzug der Mitgliederbeiträge durch den Kanton beruhe auf einer Leistungsvereinbarung, sagt VTL-Geschäftsführer Fatzer. Der Verband erspare es sich damit, die Mitgliederbeiträge selber einziehen zu müssen. Die Leistungsvereinbarung bestehe seit rund 20 Jahren und werde zurzeit neu verhandelt. Fatzer lässt durchblicken, dass der VTL über den Preis von 4000 Franken im Jahr diskutieren will, den er für die Dienstleistung entrichtet.
Der Umweltverband Pro Natura hatte schon im Januar 2015 das staatliche Inkasso der Mitgliederbeiträge des Bauernverbands angeprangert. In der Verbandszeitschrift wurden 14 Kantone genannt, in denen es üblich sei, darunter St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden. Das «Pro Natura Magazin» zitierte das Bundesamt für Landwirtschaft, nach dessen Einschätzung das Einverständnis des Bauern als gesetzliche Grundlage ausreiche; dies bestreite der Basler Staatsrechtler Markus Schefer.
Regierungsrat Walter Schönholzer teilt auf Anfrage mit, er wolle der ordentlichen Behandlung der Einfachen Anfrage durch den Gesamtregierungsrat nicht vorgreifen.
Der Verband Thurgauer Landwirtschaft (VTL) verlangt von den 2100 Mitgliedern einen Jahresbeitrag von durchschnittlich 300 bis 350 Franken, abhängig von Fläche und Arbeitskräfte des Hofs. Um Direktzahlungen zu beziehen, muss man nicht VTL-Mitglied sein. Von den direktzahlungsberechtigten Bauern sind rund 96 Prozent Mitglied. (wu)