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Frauenfeld & Hinterthurgau
Der Frauenfelder Beat Oswald und der St.Galler Samuel Weniger planen einen Kinofilm über den Wolf. Das Raubtier ist nicht erst seit kurzem in aller Munde. Mit der bevorstehenden Abstimmung hat das Projekt der beiden Filmemacher jedoch nichts zu tun.
Ein «Usfährtli» hat den Frauenfelder Filmemacher Beat Oswald ins st.-gallische Vättis geführt. In diesem Dorf nahe der Grenze zum Bündnerland will er einen Kinofilm drehen. Oswald besuchte ein Familienmitglied, welches in Valens in einer Kurklinik war. Sie machten einen Ausflug und landeten auf der Terrasse des Restaurants Tamina im hintersten Teil des gleichnamigen Tals. Die Kellnerin begann den beiden von den Wölfen zu erzählen, die 2011 ins Taminatal zurückgekehrt sind und seither immer wieder für Aufruhr sorgen.
Diese Begegnung ereignete sich vor anderthalb Jahren. Sie ist die Geburtsstunde von Beat Oswalds Kinoessay «Tamina – wann war es immer so?», das der Frauenfelder in Co-Regie mit dem St. Galler Filmemacher Samuel Weniger plant. Für das Duo ist es nach dem Dokumentationsfilm «Golden Age» das zweite Kinofilmprojekt.
Sie seien noch in der Finanzierungsphase, sagt Oswald. Der Thurgauer Regierungsrat hat der Conobs GmbH für die Produktion des Essays kürzlich 50'000 Franken aus dem Lotteriefonds zugesprochen. Die Premiere soll im Frühjahr 2022 sein.
Ein Städter sehnt sich nach einem archaischen und kompromisslosen Leben. Da er es selbst nicht leben kann, streift er durchs Taminatal und erhofft sich, dieses in freier Wildbahn beobachten zu können. Oswald sagt:
«Der Autor des Filmes ist eine zugespitzte Persönlichkeit meiner selbst.»
Was als klassische «Into the Wild»-Erzählung beginnt, ändert sich im Verlaufe des Filmes. Denn obwohl die im Tal lebenden Menschen die Anwesenheit des Wolfs bestätigen, bekommt der Städter diesen nicht zu Gesicht. In Gesprächen mit den Dorfbewohnern merkt er, dass die Geschichten, welche die Menschen über den Wolf erzählen, spannender sind als das Tier selbst.
Von der Suche nach dem Wolf ausgehend, fragen die beiden Filmschaffenden nach dem Platz des Menschen in dieser Welt. «Der Wolf bringt immer eine gewisse Aufregung mit sich», sagt Beat Oswald. Der Ethnologe und Publizist möchte keinen Tierfilm über das Raubtier drehen. «Mich interessiert die Komplexität des Ganzen», sagt er.
Der Wolf stehe sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher und globaler Ebene für Veränderung. «Er wird zum Stellvertreter für tiefgreifende Auseinandersetzungen wie etwa die Frage, ob das wahre Leben in der Natur oder in der Zivilisation stattfindet, die Auslotung der Grenzen zwischen Natur- und Kulturraum sowie globalen Themen wie der Klimawandel.»
Die bevorstehende Abstimmung über das Jagdgesetz am 27. September soll im Film nicht explizit erwähnt werden. Obschon schon einige Aufnahmen gemacht worden sind, plant Beat Oswald keine Dreharbeiten an diesem Tag. Es könne sein, dass die Abstimmung ihren Weg in den Film findet, aber es sei nicht das Ziel, so der Filmemacher. Oswald ergänzt:
«Mir geht es nicht um ein Pro oder Contra Wolf.»
Die Vorlage zeigt seiner Meinung nach, wie emotional und politisch das Thema Wolf ist. «Obwohl die meisten das Tier noch nie in freier Wildbahn gesehen haben, scheint er gerade für uns Städter eine grosse Rolle zu spielen», sagt Oswald.
Der Wolf gilt als Symbol für die wilde Natur, die Unberührtheit und die Gefahr. Genau das fehle vielen Menschen in der heutigen Zeit. Für Oswald sei dieses Gefühl ausschlaggebend für seinen Entscheid. «Aus meiner städtischen Perspektive heraus stimme ich gegen das Gesetz, da es mir noch nicht differenziert genug erscheint. Der Entscheid basiert jedoch vorwiegend auf sentimentalen und nicht auf rationalen Gründen.»
Der Filmemacher selbst hat noch nie einen Wolf gesehen. «Einmal habe ich Kot und Pfoteabdrücke gefunden, das war ein schönes Erlebnis», sagt Oswald. Er sei den Spuren ein Stück gefolgt und habe sich dann gefragt, was er mache. Er sagt: «Ich will nicht aktiv einen Wolf aufspüren.»