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Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
Thurgauer Gemeindevertreter bilden sich in der neuen Bürgerrechtsgesetzgebung weiter. Aus den Frauenfelder Testergebnissen des letzten Jahrs wird klar: Für viele einbürgerungswillige Ausländer wird der Schweizerpass unerreichbar.
Wer sich im Thurgau einbürgern lassen will, der muss die Benutzungsordnung einer Sportanlage verstehen und über ein flexibles Arbeitszeitmodell diskutieren können. Mit diesem Beispiel veranschaulichte Kathrin Sproll die seit Anfang 2018 geltende Sprachhürde. Die Bereichsleiterin Deutsch- und Integrationskurse der Fachstelle Integration und Bildung der Stadt Frauenfeld sprach am Montag vor 120 Gemeindevertretern über die neuen Einbürgerungsregeln; zur Informationsveranstaltung eingeladen hatten das Amt für Gesellschaft und Integration der Stadt Frauenfeld und der Verband Thurgauer Gemeinden.
Bei Einbürgerungen herrscht im Thurgau derzeit Stau. Denn der Regierungsrat hat die Verordnung zum neuen Bürgerrechtsgesetz erst am 22. Mai verabschiedet. «Das Amt für Handelsregister und Zivilstandswesen hat deshalb die seit Anfang Jahr eingereichten Gesuche pendent zurückgehalten», sagte Amtsleiter Giacun Valaulta. Das Amt ist neue Anlaufstelle: Bisher mussten Einbürgerungsgesuche bei der Wohngemeinde eingereicht werden.
Die Gemeinden entschieden selber über die Sprachfähigkeit; üblicherweise tat dies der Gemeinderat in einem Gespräch, andere – wie Frauenfeld und Aadorf – verlangten einen Test. Nun muss der Gesuchsteller ein Zertifikat vorlegen, das seine Sprachkenntnisse nach dem europäischen Referenzrahmen beurteilt. Dabei ist die tiefste Stufe A1, die höchste C2. Der Thurgau und Schwyz sind die Kantone mit den höchsten Anforderungen. Verlangt werden schriftlich das Niveau B1 und mündlich B2. Die erhöhte Sprachhürde war im Thurgauer Grossen Rat umstritten. An der neuen Hürde würden laut der Bereichsleiterin Sproll die meisten der 25 Bewerber scheitern, die 2017 in Frauenfeld den Sprachtest auf tieferem Niveau – A2 schriftlich und B1 mündlich – abgelegt hatten. Bei den Absolventen handelte es sich um Bürgerrechts-Gesuchsteller aus Frauenfeld und Aadorf. Laut Sproll war schon der schriftliche A2-Test für einen Viertel der Bewerber zu schwer, beim mündlichen B1-Test fiel sogar ein Drittel durch. In Zukunft werden es besonders Bewerber schwer haben, die wenig Schulbildung genossen haben. Denn die Bildung wird wichtiger, um ein höheres Sprachniveau zu erreichen.
Sprachzertifikate können bei Instituten wie Telc oder dem Goethe-Institut erworben werden. Das Frauenfelder Amt für Gesellschaft und Integration ist derzeit die einzige Institution im Kanton Thurgau, bei der ein Test über die hier verlangte Sprachkompetenz B1 schriftlich/B2 mündlich abgelegt werden kann. Verwendet werden Prüfungsunterlagen des Österreichischen Sprachdiploms ÖSD. Sproll betont, dass es sich nicht um eine österreichische Sprachprüfung handelt, sondern die Prüfung dem Sprachgebrauch in allen drei deutschsprachigen Ländern Rechnung trägt und in trinationaler Zusammenarbeit erstellt wurde. Der schriftliche Teil dauert dreieinhalb Stunden, der mündliche rund 20 Minuten. Zur erhöhten Sprachhürde vertritt Sproll eine differenzierte Meinung: «Es ist wünschenswert, dass die Bewerber die Sprache besser können, wenn sie hier wohnen. Die Kehrseite ist, dass vielen die Einbürgerung verwehrt bleiben wird.» Auch mit zusätzlichen Sprachkursen würden viele Gesuchsteller nicht das verlangte Niveau erreichen. Vielen fehle auch die Zeit und das Geld für weitere Sprachkurse.