Das 127 Millionen Luxusproblem des Kantons Thurgau

Seit 2014 liegen 127 Millionen Franken aus dem Erlös der TKB-Partizipationsscheine unter Verschluss in der Kantonskasse. Jetzt soll das Moratorium sogar noch verlängert werden − es mangelt an spruchreifen Ideen.

Christian Kamm
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Die erste Tranche der TKB-Partizipationsscheine spülte 127 Millionen Franken in die Kasse des Kantons.Bild: (Bild: Reto Martin, Egnach, 1. April 2014)

Die erste Tranche der TKB-Partizipationsscheine spülte 127 Millionen Franken in die Kasse des Kantons.Bild: (Bild: Reto Martin, Egnach, 1. April 2014)

Das grösste Problem in der Politik hat einen Namen − Geld. Genauer: dass immer viel zu wenig davon vorhanden ist. Glücklicher Thurgau! Denn der Kanton hat für einmal das umgekehrte Problem, dass nämlich sehr viel Geld in einem speziellen Topf liegt, aber niemand eine Idee hat, was damit anzufangen ist.

Konkret geht es um 127 Millionen Franken aus dem Erlös der Partizipationsscheine vom Börsengang der Thurgauer Kantonalbank (TKB). Um die Diskussion rund um diesen Börsengang nicht mit einem uferlosen Streit über die Gewinnverwendung zu belasten, hatte das Parlament 2013 ein fünfjähriges Moratorium beschlossen. Seither liegt der Millionensegen unantastbar auf der hohen Kante. Im kommenden April läuft die Sperre nun aber aus. Statt eine zündende Idee zu präsentieren, wie das Geld in die Zukunft des Kantons investiert werden könnte, will der Regierungsrat in die Verlängerung gehen: Das Moratorium soll um weitere fast drei Jahre bis Ende 2021 ausgedehnt werden.

Die Verlängerung begrüssen nicht alle

Dieser Vorschlag kommt nicht überall gut an. «Sicher nicht», sagt etwa Ueli Fisch zur Verlängerung. Der GLP-Kantonsrat hatte schon 2013 im Grossen gegen die «unnötige Verzögerung» beim Entscheid über die Verwendung der Gelder votiert. Und auch heute sagt er: «Man müsste sich jetzt Gedanken darüber machen, wie man das Geld einsetzen könnte.» Dass auch nach den fünf Jahren keine spruchreife Idee von Seiten der Regierung vorliegt, hält Fisch für politisches Kalkül: «Man wollte nicht über dieses Geld reden, sondern hat in den vergangenen Jahren nur übers Sparen gesprochen.»

Regierungsrat Jakob Stark bezeichnet den Vorwurf des politischen Kalküls als abwegig. Vielmehr habe sich die Kapazitätsfrage gestellt: «Wir waren in der Finanzverwaltung, im Departement und in der Regierung intensiv mit den Sparpaketen beschäftigt.» Es könne halt nicht alles gleichzeitig angegangen werden, zumal Geld in der Reserve keine Priorität habe, so Stark. «Das Geld, das man auf der Seite hat, tut einem ja auch nicht weh.» Dazu komme, dass grosse Projekte, die in Frage gekommen wären, wie beispielsweise ein neues Historisches Museum, Verspätung hätten. «Wir hatten keine Eile, wollten keinen Schnellschuss und uns die Sache gut überlegen», begründet Stark, dass nichts auf dem Tisch liegt.

Es braucht ein Konzept für das Geld

Das Nachdenken über die Verwendung des Millionensegens könnte bald auch parlamentarisch verordnet werden. SVP-Kantonsrat Urs Martin verlangt mit zwei weiteren Kantonsräten einen Bericht. Dieser soll aufzeigen, wie die Mittel so investiert werden könnten, «dass sie dem Kanton einen langfristigen Mehrwert bringen». Er befürchte, dass doch noch jemand auf die Idee kommen könnte, die Millionen mit der Giesskanne in alle möglichen Kanäle zu verteilen, sagt Martin auf Anfrage. «Es braucht ein Konzept, bevor das Geld ausgegeben wird.» Die Tatsache, dass fünf Jahre ungenutzt verstrichen sind, ist für Martin hingegen kein Unglück. «Es ist ja nichts Schlimmes passiert. Das Geld ist immer noch da.»

Und wo bleibt die zündende Idee, die alle elektrisiert? Finanzdirektor Jakob Stark kann sich mehrere Optionen vorstellen: ein einzelnes Grossprojekt oder ein projektbezogenes Paket, mit dem verschiedene Bereiche profitieren würden. Für neue Ideen könnte auch das schon länger laufende Projekt «Strategie Thurgau» sorgen. «Dort sind wir am Finish», sagt Stark und stellt, Stand heute, Resultate innerhalb des nächsten halben Jahres in Aussicht.

«Wieso nicht für Elektromobilität?»

Für Ueli Fisch wäre es denkbar, die Mittel im Bereich Energie einzusetzen. «Wieso nicht für Elektromobilität?» Auch eine aggressivere Ansiedlungspolitik oder der Tourismus kämen als Nutzniesser in Frage. Fisch und SP-Kantonsrat Walter Hugentobler, der 2013 die Streichung des Moratoriums beantragt hatte, sind sich einig, dass das Geld keinesfalls in ein Strassenprojekt fliessen darf. «Das wäre das Falscheste», sagt Hugentobler, der im Museumsbereich Optionen sieht, um die breite Bevölkerung nachhaltig profitieren zu lassen. Er habe schon Ideen, sagt Urs Martin. «Aber das haben alle anderen 129 Kantonsräte auch.» Deshalb wolle er hier und jetzt nichts Konkretes verraten.