Startseite
Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
Rund 100 Personen versammelten sich in Müllheim, um gegen die Einschränkungen aufgrund der Coronapandemie zu demonstrieren. Zu ihnen sprachen auch vier Kantonsräte. «Auf Politik und Gerichte kann man nicht zählen», sagte etwa SVP-Politiker und Jurist Hermann Lei.
Die «Besorgten Bürger» Thurgau bekommen Zulauf. Einmal mehr versammeln sich Coronamassnahmen-Skeptiker am Montagabend in Müllheim, um die in ihren Augen übertriebenen Einschränkungen zur Bewältigung der Pandemie zu beanstanden. Und sie werden jedes mal mehr. Rund hundert Personen haben sich auf dem Parkplatz der Pizzeria Il Castello eingefunden. Auch die vier Kantonsräte Oliver Martin (SVP), Jürg Wiesli (SVP), Peter Schenk (EDU) und Hermann Lei (SVP) reihen sich in die Gruppe der Demonstranten ein.
In einer Diskussionsrunde unter freiem Himmel hinterfragen und kritisieren die Kantonsräte die Massnahmen aus Bundesbern genauso wie das Verhalten der Thurgauer Regierung. Oliver Martin findet, dass ihnen die Arbeit weggenommen werde. Mit seiner Confiserie mit Sitz in Leimbach verkauft er jeweils an Märkten seine Produkte wie Magenbrot, Soft-Ice oder gebrannte Mandeln. Er sagt:
«Wir verlernen das Arbeiten und haben keinen Tagesablauf mehr.»
Die Anwesenden quittieren die Aussage mit Applaus.
Jürg Wiesli macht sich Sorgen, falls Geimpfte dereinst mehr Rechte erhalten werden als Ungeimpfte. «Das ist eine Gentherapie!», ruft jemand aus der Menge dazwischen. Und Hermann Lei sagt:
«Die Regierung hat keine Strategie.»
Zwischen der Kantonsregierung, der Bundespolitik und dem BAG werde der Schwarze Peter hin- und hergeschoben. Und: «Auf Politik und Gerichte kann man nicht zählen», sagt Lei, selbst Jurist. Er bedauere, dass es kein Verfassungsgericht gebe. «Andererseits hätten wir eins, hätten wir eine richterliche Diktatur», kommt er wiederum zum Schluss.
Peter Schenk schildert vor dem Publikum seine Erfahrungen, wie er jeweils ohne Maske seine Einkäufe erledigt. Von Verständnis bis zur Androhung, die Polizei einzuschalten, habe er dabei schon alles erlebt. «Warum muss ich eine Maske tragen, ich wurde nämlich ohne geboren», begründet er seine Haltung.
Die vier Kantonsräte, die an der Kundgebung in Müllheim teilnehmen, fielen bereits im Vorfeld durch ihre kritische Haltung gegenüber den Massnahmen der Behörden auf. Sie begrüssen jeweils auch die Teilnehmer der Demonstration, die sich vor jeder Sitzung des Grossen Rates in Frauenfeld einfinden. Hermann Lei veröffentlichte vor der letzten Parlamentsdebatte ein Bild von sich und den Ratskollegen Oliver Martin und Peter Schenk. Im Hintergrund sind die Demonstrierenden zu sehen. Dazu schrieb Lei: «Mit den engagierten Demonstrantinnen vor dem Parlament – herzlichen Dank für den unermüdlichen Einsatz für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und gegen irre Coronamassnahmen.»
Peter Schenk mischte sich vor der letzten Ratssitzung sogar persönlich unter die Demonstranten, wo er plötzlich mit dem eigenen Wahlplakat, ergänzt durch dem Schriftzug «Stopp Lockdown + Zwangsmassnahmen», auftauchte.
Unmissverständlich als Coronamassnahmen-Skeptikerin äussert sich auch SP-Kantonsrätin Barbara Müller schon lange. Mit Zugpersonal hatte sie schon oft Ärger, weil sie keine Maske trägt. Müller erstattete bereits gegen mehrere SBB-Angestellte, die sie zurechtwiesen, Anzeige bei der Polizei.
Zum Schluss der Kundgebung in Müllheim, kurz vor 21 Uhr, versuchen noch zwei junge Frauen auf die Probleme der Jungen aufmerksam zu machen. Die meisten Demonstrationsteilnehmer sind jedoch mittleren Alters. Vereinzelte haben ihre Kinder mitgenommen. Die Gruppe steht dicht beisammen. Eine Maske trägt niemand.
Zu Beginn der Demonstration um 18 Uhr fährt die Kantonspolizei vor. Sie erinnern die Organisatoren des Anlasses, nicht nur die gültigen Coronaregeln einzuhalten. Für die nächste dieser Veranstaltungen müsse auch ein Schutzkonzept ausgearbeitet werden, wie später den Anwesenden vom Veranstalter erklärt wird.