Startseite
Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
Die Thurgauer Regierungspräsidentin zeigt sich besorgt über Gewalt im Zusammenhang mit der Pandemie. Sie spricht Klartext.
Die Gemüter sind erhitzt. In den vergangenen Tagen haben das Coronavirus und die damit verbundenen Massnahmen für immer mehr Zwiespalt in der Bevölkerung gesorgt. Vereinzelt äusserte sich dies gar in gewaltsamen Aktionen.
Die angespannte Lage hat die Thurgauer Regierungspräsidentin Monika Knill auf den Plan gerufen. Zu Beginn der Grossratssitzung am Mittwoch richtet sie eine eindringliche Ansprache an die Kantonsrätinnen und Kantonsräte – vor allem aber an die gesamte Thurgauer Bevölkerung:
«Das Virus ist nach wie vor unser Feind, nicht andersdenkende Menschen.»
Verschiedene Meinungen würden in zunehmend aggressiver Weise aufeinanderprallen und tiefe Gräben hinterlassen. «Menschen, die ihre Meinung äussern, werden tätlich angegriffen, bedroht oder ihr Eigentum wird verwüstet.»
Konkreter wird Knill diesbezüglich nicht. Es ist aber offensichtlich, worauf sie verweist. So wurde vor eineinhalb Wochen in Diessenhofen ein Impfbus-Mitarbeiter von einem Impfgegner angegriffen. Und am vergangenen Wochenende haben Unbekannte den Gasthof Krone von Gastro-Thurgau-Präsident Ruedi Bartel mit Blut beschmiert und mit Schweinefüssen verunstaltet.
Der Balterswiler Wirt hatte sich zuvor auf «Blick TV» zur Zertifikatspflicht geäussert: «Man hätte einfach eine Impfpflicht für alle einführen sollen. Das wäre schlauer gewesen als das Zertifikat.» Bereits kurz nach der Sendung erhielt Bartel einen Drohanruf. «Die jüngsten Ereignisse bereiten dem Regierungsrat grosse Sorgen», sagt Knill. Man verurteile diese Ereignisse aufs Schärfste. Und:
«Es gibt nur eine Reaktion: Eine absolute Nulltoleranz und das sofortige Einleiten rechtlicher Schritte gegen die Täter.»
Jede Person dürfe ihre Meinung zu Coronamassnahmen oder zur Impfung äussern, sagt Knill und appelliert zudem an Toleranz, Respekt und Solidarität. «Wir alle müssen unsere Werte, auf die wir landauf landab am 1. August anstossen, jetzt aktiv einfordern und vorleben.»
Das Wort ergreift Monika Knill auch als Bildungsdirektorin und begründet die Einführung einer befristeten Maskenpflicht in den Schulen ab der ersten Sekundarstufe. Diese Massnahme stehe nicht im Zusammenhang mit der Auslastung der Spitäler. «Sie wurde nötig, um überhaupt noch Präsenzunterricht in den Schulen durchführen zu können.» Aktuell würden sich viele Klassen in Quarantäne befinden. Dies, weil eine ganze Klasse in Quarantäne muss, wenn zwei oder mehr positive Fälle in der Klasse gemeldet werden.
Auch die Maskenpflicht habe teilweise zu nicht tolerierbaren Reaktionen geführt. «Nicht nur die Spitäler und ihre Mitarbeiter laufen am Limit. Die Schule ist mancherorts zur Kampfzone von Ansichten, Ideologien, Forderungen und Drohungen geworden», sagt Knill. Die Lehrerschaft, Schulleitungen und Behörden seien jeden Tag gefordert, überhaupt einen ordentlichen Unterricht abhalten zu können, ergänzt sie und richtet einen Dank an «alle Akteuren in der Bildung».
Christian Kamm schreibt in seinem Beitrag sehr deutlich, was wir als Gesellschaft erreicht haben. Es ist ein schwacher Trost und ein spätes Zeichen der Kantonsregierung. Ihre Aufgabe wäre es von Anfang an gewesen, die verschiedenen Interessen auf gleicher Augenhöhe in einem demokratischen Forum zusammen zu führen. Stattdessen zahlt sich die "Abwesenheit" ihrer Präsenz als oberste Thurgauer:innen, die klare Ziele verfolgen (z.B. die Pandemie mit allen Mitteln unter Kontrolle zu bringen) aus, indem sich Teile der Bevölkerung noch missverstandener und vernachlässigter fühlen und sich dadurch vom öffentlichen Diskurs verabschieden. "Sie schaffen ihre Fakten gleich selbst und kommen so dem demokratischen Lagerfeuer abhanden. Sie zündeln lieber anderswo." Es benötigt nun mehr denn je das Vertrauen Aller in die Institution Staat als Fundament für ein "gesittetes" Zusammenleben. Solange die Kantonsregierung aber den Eindruck erweckt, dass - wenn überhaupt - Entscheidungen viel zu spät, intransparent oder schwer nachvollziehbar getroffen werden, dann führt dies unweigerlich zu einer Zuspitzung von dem was wir heute schon erleben. Ich hoffe schwer, dass die Schönwetterpolitik mit diesem Klartext von Monika Knill ihre Pelerine gefunden hat, um diesem Unwetter bestimmt entgegen zu treten.