Startseite
Ostschweiz
Frauenfeld & Hinterthurgau
Das Bundesgericht hebt Entscheide der Kantonsbehörden auf. Es geht um Lärmschutz in der Gemeinde Hüttwilen.
Nochmals über die Bücher gehen. Diese Aufgabe hat das Departement für Bau und Umwelt (DBU) gefasst. Gleichzeitig stösst das Bundesgericht Entscheide des DBU sowie des Thurgauer Verwaltungsgerichts um, indem es im Urteil von Ende Mai (1C_352/2019) private Beschwerden bezüglich eines Lärmschutzprojekts an der Hauptstrasse in Hüttwilen gutheisst.
Durch den jetzigen Richterspruch aus Lausanne ist nicht grundsätzlich geklärt, ob Betroffene von der Lärmquelle geschützt werden sollen oder der Lärm an der Quelle bekämpft werden soll. «Ob das Urteil rechtliche oder technische Auswirkungen auf laufende oder künftige Strassenbauprojekte zeitigt, muss departementsintern noch geprüft werden», sagt DBU-Generalsekretär Marco Sacchetti, nachdem er die Urteilsbegründung nach vertieftem Studium mittlerweile einschätzen und erklären kann.
Das Bundesgericht hat mit seinem Urteil lediglich festgestellt, dass «die Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Prüfung von emissionsmindernden Massnahmen an der Quelle» haben und daher befugt sind, «gegen die Gewährung von Erleichterungen Einsprache zu erheben».
Genau dieses Beschwerderecht hat ihnen das DBU sowie nach dem Rekurs auch das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgetan, weil der sogenannte Immissionsgrenzwert für Strassenverkehrslärm bei der Liegenschaft der Beschwerdeführer an der Hauptstrasse in Hüttwilen laut einem technischen Bericht des Tiefbauamtes nicht überschritten sei. Laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) liegen die Grenzwerte am Tag bei 65, in der Nacht bei 55 Dezibel. Laut Messungen von 2017 liegt die Lärmbelastung an der Hauptstrasse in Hüttwilen innerorts tagsüber bei 64, nachts bei 49 Dezibel. Deshalb seien die Privatpersonen nicht zur Einsprache legitimiert. Das Verwaltungsgericht stützte den Nichteintretensentscheid des DBU – laut Bundesgericht zu Unrecht, wie sich jetzt herausgestellt hat.
Um den Lärm an der Quelle zu bekämpfen, schlugen die Beschwerdeführer vor, die Höchstgeschwindigkeit auf der Hauptstrasse in Hüttwilen herabzusetzen. Eine Reduktion von 50 auf 30 km/h reduziere den Lärm um rund drei Dezibel, schätzt das Bafu. Im jetzigen Bundesgerichtsurteil heisst es:
«Dies stellt einen evidenten praktischen Nutzen dar, auch wenn die massgeblichen Immissionsgrenzwerte eingehalten sind.»
Tempo-30-Regimes auf Kantonsstrassen sind im Thurgau jedoch seit jeher ein Politikum. In Frauenfeld kämpfen Anwohner schon lange dafür. Auf Hauptstrassen in Basadingen oder Steckborn hingegen herrscht mittlerweile Tempo 40, in Berlingen gar Tempo 30.
In welche Richtung die Lärmsanierungen in Hüttwilen jetzt gehen, will das DBU nicht vorwegnehmen, das als Anlageeigentümerin der Hauptstrasse dazu verpflichtet ist, umweltrechtliche Massnahmen zu treffen. «Das Urteil äussert sich nur zur Legitimation der Beschwerdeführer im laufenden Einspracheverfahren», meint Sacchetti.
Es gehe letztlich um die Frage, ob vermehrt Lärmsanierungen an der Quelle geprüft werden müssten. «Solche Massnahmen können Temporeduktionen oder spezielle Beläge sein», sagt er. Die Lärmbekämpfung am Objekt, etwa durch Lärmschutzwände, sei grundsätzlich zweite Priorität. «Die materiellen Anliegen der Beschwerdeführer sind nun Gegenstand des laufenden Verfahrens.»