Die Behörden haben in der Frauenfelder Allmend unrechtmässig Parkbussen ausgestellt. Grund dafür ist ein Versäumnis von Beamten in Bern, die eine Regeländerung nicht im Amtsblatt publizierten. Just nach einer Einstellungsverfügung gegen eine Privatperson wegen einer Ordnungsbusse ist die amtliche Publikation erfolgt.
Nicht um 40 Franken, sondern ums Prinzip. Darum geht es dem Frauenfelder Kurt Ammann. Seit Jahren fährt der 82-jährige Rentner fast täglich zweimal mit seinem Toyota in die Grosse Allmend, um mit seinem Terrier-Mischling Rico an der Thur eine Runde zu drehen. «Bis auf kleinere Ausnahmen fühle ich mich fit, manchmal bin ich halt etwas vergesslich», erzählt Ammann und schmunzelt.
Vergesslichkeit trifft auch auf das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt der Armee zu, das für Verkehrsmassnahmen auf Strassen des Bundes verantwortlich zeichnet. Dazu gehören auch alle zehn Parkplätze in der Frauenfelder Allmend, die der zivilen Bevölkerung als Zugang zum Naherholungsgebiet zur Verfügung stehen – sofern das Militär nicht gerade gefährliche Übungen organisiert.
Für neue Regeln auf diesen Parkfeldern – unter anderem eine Parkscheibenpflicht – hat der Bund versäumt, gemäss Strassenverkehrsgesetz eine öffentliche Ausschreibung zu publizieren. Somit sind zahlreiche Bussen in der Allmend unrechtmässig ausgestellt worden.
Davon betroffen ist auch Kurt Ammann, für den der Spiessrutenlauf im vergangenen Herbst mit einer einfachen Ordnungsbusse in Höhe von 40 Franken begonnen hat. Sein Vergehen: nicht oder nicht gut sichtbares Anbringen der Parkscheibe. Die weissen Verkehrstafeln mit Parkscheibensymbol auf blauem Hintergrund erlauben eine maximale Parkdauer von sechs Stunden.
«Ausserhalb von Zentren will doch niemand länger als sechs Stunden parkieren», ärgert sich Ammann alleine schon über das eingeführte Parkierungsregime. Er habe in der Schweiz noch nie einen Ort gesehen, wo man ausserhalb blau markierter Parkfelder eine Parkscheibe einstellen und anbringen müsse.
«Das sind willkürliche Verbote. Das ist eine Schikane und eine illegale Angelegenheit.»
Deshalb verweigerte er die Zahlung der 40 Franken und retournierte die Busse mit der Begründung, dass die neuen Signalisationen nicht öffentlich publiziert worden seien, an die Kantonspolizei Thurgau. Denn nebst der Waffenplatzverwaltung ahnden Polizisten in der Allmend im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Vergehen und melden sie der Ordnungsbussenzentrale, die ihrerseits die Bussen verschickt.
Auf dem Waffenplatz der Grossen Allmend in Frauenfeld, dem zweitgrössten in der Schweiz, gelten zwei verschiedene Regelwerke. Die im März 2016 eingeführte Benutzerordnung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) als Eigentümerin des Waffenplatzes zielt darauf, die unterschiedlichen Nutzungsansprüche zu regeln. Das VBS schreibt etwa vor, welche Strassen für den zivilen Verkehr gesperrt sind, und stellt Regeln für die zehn Parkplätze auf. Die städtische Verordnung über das Naturschutzgebiet von 2015 hingegen beschränkt sich auf das Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung innerhalb des Waffenplatzes. Darin enthalten sind etwa die Hundeleinenpflicht oder ein Verbot für das Begehen abseits von Wegen. (sko)
Für Kurt Ammann ist klar, dass die Vorschrift, eine Parkscheibe einzustellen, völlig unzureichend signalisiert ist. Er meint:
«Ich bin stocksauer, dass mit Steuergeldern Beamte bezahlt werden, die anstatt für die Landesverteidigung für die Durchsetzung eines unsinnigen Parkierungsregimes eingesetzt werden.»
Der gelernte Postbeamte und ehemalige Gemeindeammann im aargauischen Eggenwil kennt sich in der Verwaltung aus. «Ich habe in all den Jahren nie eine Einsprache verloren», sagt der Mann stolz, den es der Liebe wegen nach Frauenfeld gezogen hatte. Ammanns Begehren, der Strafbefehl mit der mittlerweile auf 140 Franken erhöhten Busse sei aufzuheben, mündet in einer Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft und endet schliesslich diesen April mit einer Einstellungsverfügung. Damit ist für Ammann sowohl das Strafverfahren hinfällig als auch die Bezahlung der Busse obsolet geworden.
Auf den Vorfall geht in Bern weder das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt der Armee noch die zuständige Presseverantwortliche ein, obschon in der Einstellungsverfügung aufgrund von Informationen aus Bern von anfangs Mai steht, dass «die Parksignalisation der Parkplätze auf dem Waffenplatz Frauenfeld in der Grossen Allmend nicht rechtskräftig sei». Die Regeländerung von 2014 sei realisiert worden, «ohne die angeordneten Verkehrsmassnahmen im Amts- resp. Bundesblatt publiziert zu haben».
Auf Anfrage schreibt Jacqueline Stampfli, stellvertretende Kommunikationsleiterin bei der VBS-Immobilienverwalterin Armasuisse: «Es wurden keine Regelungen geändert, die Benutzerordnung ist seit 2016 in Kraft.»
Zwei Tage nach dem aufklärenden E-Mail aus Bundesbern an die Thurgauer Staatsanwaltschaft erscheint im Amtsblatt die Verfügung des Bundes über die angepassten Verkehrsmassnahmen auf Parkplätzen des Frauenfelder Waffenplatzes, wonach das Parkieren nur noch mit Parkscheibe geduldet sei.
Wie viele Besucher der Allmend die illegalen Parkbussen nichts ahnend beglichen haben, ist nicht bekannt. Zur Anzahl verteilter Bussen heisst es bei der Kantonspolizei Thurgau: «Ordnungsbussen können aus unserem System nicht nach Örtlichkeit herausgefiltert werden», sagt Sprecher Daniel Meili. Über weitere Einstellungsverfügungen ist Generalstaatsanwalt Stefan Haffter nichts bekannt.
Kurt Ammann jedenfalls kennt Bekannte, welche die Bussen einfach bezahlt haben, ganz nach dem Motto: «Sich wehren lohnt sich nicht.» Nach seiner Erfahrung dürften Behörden Fehler machen. «Aber sie müssen sie korrigieren und nicht irgendetwas mauscheln», meint Ammann. Die illegale Angelegenheit ist für ihn fast zu einem Ende gekommen. Während seines Spiessrutenlaufs jedoch haben Beamte zwei weitere Parkbussen unter die Scheibenwischer seines Toyota geklemmt. Die zweite vom vergangenen Oktober habe er – nachweislich unrechtmässig – bezahlt.
Auf die Forderung, die Polizei erstatte ihm die 40 Franken zurück, geht die Kantonspolizei mit Brief vom August ein. Gegen die dritte jedoch ist Ammann machtlos, weil sie nach der öffentlichen Publikation des Bundes ausgesprochen wurde. Ammann schmunzelt und sagt: «Ich sage ja, das Alter macht vergesslich.»