Biberpopulation: Der Kanton Thurgau ist nicht mehr länger auf Platz eins

Das Konzept Biber Thurgau muss aufgrund des neuen Jagdgesetzes angepasst werden. Das ist aber nicht die einzige Neuigkeit, die vom anpassungsfähigen Nager im Kanton Thurgau zu vernehmen ist.

Sebastian Keller
Drucken
Im Kanton Thurgau leben derzeit gut 500 Biber. (Bild: Darko Vojinovic/AP Photo)

Im Kanton Thurgau leben derzeit gut 500 Biber. (Bild: Darko Vojinovic/AP Photo)

Seit 50 Jahren ist der Biber zurück im Thurgau. Zwischen 1966 und 1969 wurden im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts 18 Tiere freigelassen. Geglückt ist die Ansiedlung mit sechs norwegischen Bibern am Nussbaumersee. Diese Nager sind die Vorfahren der heute im Thurgau lebenden Tiere.

Wegen der gut angewachsenen Population wird seit einigen Jahren ein Bibermanagement betrieben. Das «Konzept Biber Thurgau» liefert die Grundlage für das Zusammenleben von Mensch und Biber. Es nimmt sich auch potenzieller Konfliktfelder an.

Kanton haftet für Schäden an Infrastrukturanlagen

Wie diese Zeitung erfahren hat, soll sich in nächster Zeit – und seit Jahren erstmals wieder – die Arbeitsgruppe treffen, welche die Ausarbeitung des Konzepts begleitet hat. Michael Vogel, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der kantonalen Jagd- und Fischereiverwaltung, bestätigt diese Pläne.

Grund für die Einberufung sei das neue Thurgauer Jagdgesetz. In der dazugehörigen Verordnung ist festgelegt, dass der Kanton für vom Biber verursachte Schäden an Infrastrukturanlagen haftet. «Dies erfordert eine Überarbeitung des Biberkonzeptes», sagt Vogel. Die Verordnung ist seit Anfang Juni in Kraft. Zu Schadenersatzforderungen sei es seither nicht gekommen.

Nationale Bibertagung findet in Frauenfeld statt

Wegen des Bibers kommt in diesem Jahr sogar die Schweiz in den Thurgau. Am Freitag, 7. Dezember, findet in Frauenfeld die zweite nationale Bibertagung statt. An der zweisprachig geführten Tagung werden Themenfelder rund um den Biber beleuchtet. Ein Vortrag trägt den Titel «Biber und Biodiversität – das Wirken eines Ökosystem-Ingenieurs», ein anderer «Biber und Landwirtschaft – eine Herausforderung?». Im Zentrum steht die Frage, wie die Ziele zur Biodiversitätsförderung und zum Gewässer- und Hochwasserschutz mit den Lebensraumansprüchen des Bibers verbunden werden können.

Die Tagung richtet sich an Fachleute aus den Bereichen Wasserbau, Landschafts- und Rauplanung, Jagd, Land-, Natur- und Forstwirtschaft. Alles Personen, die direkt oder indirekt mit dem anpassungsfähigen Nagetier zu tun haben.

Gut 500 Biber gibt es im Thurgau

In der Schweiz leben unterdessen über 3000 Biber. Lange war der Thurgau der Kanton mit der schweizweit höchsten Population. Diese Aussage ist nicht mehr aktuell. «Wir sind vom Kanton Bern überholt worden», sagt Michael Vogel von der Thurgauer Jagd- und Fischereiverwaltung. Der flächenmässig zweitgrösste Kanton zählt 765 Biber. Die Zahlen stammen aus dem Winter 2015. Aktuellere Zahlen gebe es nicht, heisst es auf Anfrage in Bern.

«Im Thurgau sind es gut 500 Tiere», sagt Michael Vogel. Exaktere Zahlen liefert das Monitoring über den Winter 2017/2018, sie liegen noch nicht vor. Auch der Kanton Zürich ist ein Biberkanton. Bei der letzten Zählung im Winter 2016/2017 wurden 394 Biber beobachtet. Wie Urs Wegmann von der Biberfachstelle des Kantons Zürich sagt, erfolgt eine nächste Zählung im Winter 2019/2020.

Der Biberbestand im Thurgau dürfte sich nicht mehr massgeblich erhöhen, sagt Vogel. «Die Umweltkapazität wurde erreicht.» Es hat – einfach gesagt –kaum mehr Plätze für neue Reviere und die Konkurrenz zwischen Tieren steigt. Junge Biber auf der Reviersuche stossen oft auf Artgenossen. «Diese Begegnungen enden potenziell tödlich, weil Biber ihre Reviere äusserst scharf gegenüber Artgenossen verteidigen», sagt Vogel.

Biberschutz könnte gelockert werden

Dem Biber könnte in Zukunft auch vom Menschen grössere Gefahr drohen. Der Ständerat hat im Zuge der Revision des Jagdgesetzes eine Lockerung des Biberschutzes beschlossen. Das Nagetier ist seit 1962 bundesrechtlich geschützt. Die Behandlung im Nationalrat steht noch aus. Michael Vogel kommentiert die laufenden bundespolitischen Prozesse nicht. Aus fachlicher Sicht sei es aber so, dass eine Populationsregulierung mittels Abschuss beim Nagetier kaum zielführend sei. «Konflikte mit Bibern sind immer spezifische Probleme in einem Revier, ganz unabhängig davon, wie gross die Population ist.»

Anders sei es etwa bei Rehen, wo Populationsregulierung ein geeignetes Mittel zur Schadensprävention ist. «In Einzelfällen, etwa bei einer Schadenssituation, kann ein Kanton bereits heute Biberabschüsse veranlassen, sofern keine andere Massnahme zielführend war.»

Hinweis

Anmeldung und Informationen zur nationalen Bibertagung vom 7. Dezember: www.wildtier.ch