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Thurgauer Regierungsratswahlen (4): Carmen Haag, CVP, legt Wert darauf, sich in der Politik höflich zu begegnen.
Wann sind Sie letztmals einen Helikopter geflogen?
Carmen Haag: Selber geflogen bin ich zum letzten Mal im Jahr 2008. Ich erfüllte mir einst einen Jugendtraum. Später hatte das Fliegen keinen Platz mehr in meinem Leben. Mit meinem Brevet dürfte ich heute nicht mehr ohne weiteres losfliegen.
Einen Höhenflug erlebten Sie vor vier Jahren bei den Gesamterneuerungswahlen der Thurgauer Regierung. Sie erzielten das beste Resultat, obwohl Sie erst zwei Jahre im Amt waren. Ein Grund, den Wahlkampf nun gelassen anzugehen?
Ich betreibe tatsächlich keinen intensiven Wahlkampf. Ich glaube, die Leute können beurteilen, was und wie ich es die letzten Jahre im Amt gemacht habe. Ich hoffe, dass mir dadurch das Stimmvolk nochmals das Vertrauen ausspricht.
Es fällt auch auf, dass Sie als einzige Kandidatin nicht auf Sozialen Medien aktiv sind. Haben Sie das nicht nötig?
Das ist ein ganz bewusster Entscheid, der auf zwei Komponenten gründet. Einerseits habe ich das Gefühl, dass man dort nur immer etwas von sicher selber erzählt. Das ist eine Einwegkommunikation oder gar eine Selbstdarstellung, die mir widerstrebt. Anderseits finde ich es auch deshalb heikel, weil unbedachte Posts viel auslösen können oder vielleicht sogar einmal ein Rekursverfahren beeinflussen könnten. Deshalb ist es ein bewusster Entscheid, dort nicht präsent zu sein. Bisher lebte ich gut damit.
Zum Geschäft: Was liegt bei Ihnen derzeit zuoberst auf dem Pendenzenberg?
Das Thema Kleinsiedlungen beschäftigt uns derzeit stark. Es ist ein ganz anspruchsvolles Projekt mit vielen Emotionen. Wir möchten das nun unter Einbindung aller Anspruchsgruppen so transparent wie möglich erledigen. Es wird uns aber noch eine Weile beschäftigen.
Bei diesen Weilerzonen ist der Widerstand aus Gemeinden sehr gross. Sie sind die aktuell einzige Regierungsrätin, die selber nie in einem Gemeinderat war. Ist das ein Vor- oder Nachteil?
Ich glaube, es ist beides. Manchmal wäre die Erfahrung aus einem Gemeinderat möglicherweise hilfreich. Manchmal lässt es mich jedoch wohl genau deshalb etwas freier denken. Aber ich stehe schliesslich in einem engen Austausch, insbesondere mit dem Verband Thurgauer Gemeinden, wo ich die entsprechenden Sichtweisen dargelegt bekomme.
Gegen aussen wirken Sie auch bei Kritik ruhig, ohne Angriffe persönlich zu nehmen. Bleiben Sie jeweils auch innerlich gelassen?
Es beschäftigt mich natürlich schon. Aber ich unterscheide, ob es sich um sachliche Kritik handelt oder um einen persönlichen Angriff. Ich lege immer Wert darauf, höflich auf die Leute zuzugehen. Und ich glaube, sie begegnen mir auch höflich. Ich fühle mich selten persönlich angegriffen. Wenn fachliche Differenzen geäussert werden, versuche ich, diese aufzunehmen und zu bereinigen.
Nicht ganz reibungslos geht es mit dem Projekt der Thur-Renaturierung. Wie viel Arbeit steht da noch an?
Wenn alles gut läuft, werden wir im April das Projekt der Öffentlichkeit vorstellen können. Es ist ein umfassendes Renaturierungs- und Hochwasserschutzkonzept. Wir sind in Gesprächen mit den verschiedenen Anspruchsgruppen. Ich habe die Hoffnung, dass es uns gelingt, alle Bedürfnisse aufzufangen.
Ein weiteres grosses Projekt ist die Windenergie. Es hat den Anschein, als wäre dieses Richtplan-Kapitel etwas auf die lange Bank geschoben worden.
Die Raumplanungskommission hat sich intensiv damit auseinander gesetzt. Sie hat auch Augenscheine genommen. Der Bericht liegt nun vor, das Kapitel dürfte bald in den Grossen Rat kommen.
Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie emotional das Thema ist. Glauben Sie, dass im Thurgau jemals ein Windpark gebaut wird?
Das ist eine schwierige Aussage. Mir stellt sich die Frage: Wie lange braucht ein erster Windpark, bis es allenfalls neue Technologien gibt? Der Widerstand ist tatsächlich gross, obwohl nicht in allen Regionen gleich. Nun hätte der Grosse Rat die Möglichkeit, einen ersten Grundstein zu legen. Doch danach bräuchte es noch zahlreiche weitere Schritte. Zu einem ersten Windpark im Thurgau ist es noch ein weiter Weg.
Sie führen seit sechs Jahren das Baudepartement, sind aber ausgewiesene Finanzexpertin. Mit dem Abgang von Jakob Stark wird nun das Departement Finanzen und Soziales frei. Das wäre doch für Sie ein idealer Zeitpunkt, dorthin zu wechseln?
Allfällige Departementswechsel entscheidet die Regierung wie üblich nach der Wahl. Ich kann aber soviel sagen: Ich habe nach wie vor viel Freude an den Themen in meinem aktuellen Departement.
Viele sehen Sie dereinst als Nachfolgerin von Ständerätin Brigitte Häberli. Ist Bundesbern für Sie eine Option?
Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen. Mir gefällt die Art, wie ich im Thurgau arbeiten und Politik zusammen mit den Parteien betreiben kann.
Wenn ich in den Berner Politikbetrieb schaue, dann vermute ich, dass es mir dort nicht wohl wäre.
Natürlich kann man sagen: Daran gewöhnt man sich. Ich frage mich aber: Will ich mich wirklich daran gewöhnen?
Was halten Sie von der Diskussion um die Notwendigkeit des C im Parteinamen?
Ich bin der Meinung, man würde besser das christliche Gedankengut, das unsere Politik prägt, weiter in den Vordergrund stellen, als nun versuchen, das C aus dem Namen zu streichen.
Wo hat der Thurgau noch Verbesserungspotenzial?
Im Sichtbarmachen der Perlen. Dem Thurgau gelingt es vielleicht nicht immer, seine Vorzüge – etwa landschaftlicher, wirtschaftliche oder kultureller Natur – hervorzuheben. Das hat möglicherweise mit der Thurgauer Bescheidenheit zu tun.