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Der Sirnacher Gemeinderat spricht sich klar gegen ein mögliches Windenergiegebiet um Littenheid aus. Die Turbinen erachtet er als unzumutbar für die Patienten der psychiatrischen Klinik.
Fünf Seiten lang ist der Brief des Sirnacher Gemeinderats an das kantonale Amt für Raumentwicklung. Darin gibt die Behörde ihre Stellungnahme zum Vorhaben des Kantons, das Windenergiegebiet «Sirnach/Littenheid» in den kantonalen Richtplan aufzunehmen, ab. Am vergangenen Donnerstag endete das öffentliche Vernehmlassungsverfahren zur Richtplanänderung.
Zu Beginn der Stellungnahme ist der Grundton recht positiv. So seien etwa die begleitenden Unterlagen zur Richtplanänderung «umfassend und verständlich». Gemeindepräsident Kurt Baumann ergänzt:
«Was die kantonalen Ämter hier erarbeitet haben, kommt wirklich in einer guten Qualität daher.»
Gegen Ende der Stellungnahme tönt es aber schon ganz anders. Der Gemeinderat stellt dem Amt für Raumentwicklung zwei Anträge. Er fordert, dass bei der «konkreten Planung von Grosswindanlagen» zwingend die lokalen Behörden und die Bevölkerung mit einbezogen werden. Damit will die Behörde verhindern, dass der Kanton – gegen den Willen der Gemeinde – von seiner Kompetenz Gebrauch macht, eine sogenannte kantonale Nutzungszone für eine Grosswindanlage festzulegen.
Der zweite Antrag fordert, dass das Windenergiegebiet «Sirnach/Littenheid» nicht in den Richtplan aufgenommen wird. «Der Gemeinderat steht geschlossen hinter diesen Anträgen», sagt Kurt Baumann. Der Hauptgrund für die Ablehnung des Windenergiegebiets ist die psychiatrische Klinik in Littenheid. Der ergänzende Bericht zur Richtplanänderung Windenergie hält fest, dass im Klinikdorf drei bis vier Windanlagen sichtbar wären. «Littenheid wäre also umgeben von Windrädern, die 200 Meter hoch sind», sagt Baumann.
Die Clienia Littenheid AG hat deshalb ebenfalls eine Stellungnahme zur Richtplanänderung abgegeben. Der Direktor der Clienia Littenheid, Daniel Wild, erklärt:
«Lärm durch sichtbare Windenergieanlagen kann als störender empfunden werden, als wenn die Turbinen nicht sichtbar sind.»
Es sei erwiesen, dass ein Drittel der Patienten sensibel auf Geräusche reagiere. «Und aufgrund ihrer individuellen Erkrankungen können Windräder Angstzustände und schwere Schlafstörungen auslösen», sagt Wild. Bei jährlich rund 2500 Klinik-Eintritten betreffe dies etwa 800 Personen.
«Es wäre sehr bedauerlich, wenn Patienten nicht mehr nach Littenheid kommen, weil sie sich von den Anlagen gestört fühlen», sagt Gemeindepräsident Baumann. Klinikdirektor Daniel Wild sagt deutlich: «Für die Clienia Littenheid AG wären die Windräder eine Existenzbedrohung.» Damit dereinst tatsächlich ein Windpark rund um Littenheid realisiert würde, bräuchte es in den kommenden Jahren noch weitere Abklärungen. Denn das potenzielle Windenergiegebiet «Sirnach/Littenheid» will der Kanton in der tiefsten von drei Dringlichkeitsstufen in den Richtplan aufnehmen.
Insgesamt wird das Gebiet «Sirnach/Littenheid» im ergänzenden Bericht zur Richtplanänderung nur als «mässig gut geeignet» bewertet. Zwar wird mit einem Energiepotenzial von 5,5 Gigawattstunden pro Anlage gerechnet. Es bestehe aber ein Konfliktpotenzial mit Vögeln und Fledermäusen. Vier der potenziellen Turbinen-Standorte sind «aufgrund des grossen Sichtkonflikts mit der Schmelzwasserrinne ‹Littenheid-Bichelsee› aus Aspekten des Landschaftsschutzes als heikel zu bezeichnen». Kurt Baumann verweist auf den Abschnitt zwischen Littenheid und dem Ägelsee:
«Das ist ein Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung, das beeinträchtigt würde.»
Der Gemeinderat habe die Interessen abgewogen, erklärt Baumann. «Wir kamen eindeutig zum Schluss: Hier wäre eine Grosswindanlage am falschen Ort.»
Baumann hofft deshalb, dass aufgrund der Stellungnahmen das Windenergiegebiet «Sirnach/Littenheid» in der Botschaft an den Grossen Rat gar nicht mehr auftauchen wird. Die Gemeindebehörde wehre sich jedoch nicht grundsätzlich gegen die Windenergie. Im Gegenteil, das sei eine bewährte Technologie, sagt Kurt Baumann. «Und da ich von Haus aus Elektroingenieur bin, fasziniert mich das Thema natürlich.»