Abstimmung
50 neue öffentliche Parkplätze unter dem Ergänzungsbau des Regierungsgebäudes für 1,75 Millionen Franken: Darüber entscheidet das Frauenfelder Stimmvolk

Das Stimmvolk entscheidet Ende September auch über weitere 50 öffentliche Parkplätze unter der Vorstadt. Ermöglicht hat die Volksabstimmung überhaupt erst ein Behördenreferendum im Gemeinderat. Jetzt bringen sich Befürworter und Gegner der Vorlage in Stellung, mit Pro- und Kontraargumenten.

Samuel Koch
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Blick in die Tiefgarage des Parkhauses Altstadt.

Blick in die Tiefgarage des Parkhauses Altstadt.

Bild: Andrea Stalder

Umstrittene Abstimmungsvorlagen in Frauenfeld sind derzeit en vogue. Am nächsten Abstimmungssonntag vom 26. September entscheiden die Stimmberechtigten der Kantonshauptstadt nicht nur über die Sicherung von 50 öffentlichen Parkplätzen unter dem neuen Ergänzungsbau des neuen Regierungsgebäudes, sondern auch über die Unvereinbarkeit des Stadtpräsidiums mit einem Mandat in National- oder Ständerat.

Die Parkplatzfrage überhaupt erst vors Stimmvolk gebracht hat die Uneinigkeit darüber im Gemeinderat. Denn während der Sitzung zu diesem Geschäft mit Kosten von 1,75 Millionen Franken aus der Spezialfinanzierung Parkierung, wozu der Gemeinderat dank seiner Finanzkompetenz für einmalige Beiträge bis zwei Millionen Franken befugt gewesen wäre, gab es einen abgelehnten Rückweisungsantrag, dann grünes Licht (25 Ja- zu 14 Nein-Stimmen) und dann doch noch ein erfolgreiches Behördenreferendum aus der Fraktion CH/Grüne/GLP.

Ausgangslage vor Abstimmung

Mit dem Ja der Thurgauer Stimmbevölkerung im Herbst 2020 zum Kredit von 39,8 Millionen Franken baut der Kanton an der Staubeggstrasse neben dem Spannerschulhaus womöglich bis 2024/2025 einen viergeschossigen Ergänzungsbau fürs Regierungsgebäude mit rund 300 Arbeitsplätzen. Unterirdisch soll eine Tiefgarage mit Zufahrt über die Staubeggstrasse entstehen, wofür die Stadt Frauenfeld grundbuchamtlich 50 der total rund 215 geplanten Parkplätze öffentlich sichern will.

Modell des 39,8-Millionen-Franken-Baus (rechts) an der Staubeggstrasse, wo auch die Zufahrt in die Tiefgarage geplant ist.

Modell des 39,8-Millionen-Franken-Baus (rechts) an der Staubeggstrasse, wo auch die Zufahrt in die Tiefgarage geplant ist.

Bild: Andrea Stalder

Pro Parkplatz belaufen sich die Kosten auf 35'000 Franken, gesamthaft also 1,75 Millionen Franken aus der Spezialfinanzierung Parkierung. In der Botschaft schreibt der Stadtrat von einem «üblichen Durchschnittspreis». Im Parkierungsfonds liegen Stand Ende 2020 knapp sechs Millionen Franken, das mittels Ersatzabgaben von Privaten für zentrale Parkierungen gemäss Abstellplatzreglement und Parkiergebühren geäufnet wird. Gemäss Botschaft wächst der Saldo jährlich um rund 150'000 Franken.

Seit der Schaffung des Abstellplatzreglements im Jahr 1992 will sich die Stadt zum dritten Mal an einer Tiefgarage beteiligen, um eine Verlagerung von oberirdischen zu unterirdischen Parkplätzen anzustreben. 1996 sprach die Stadt 972'000 Franken für die Beteiligung von 27 Parkplätzen in der Tiefgarage unter dem Verwaltungs- und Geschäftshaus am Marktplatz. Und 2013 entstanden nach Zustimmung durch den Gemeinderat für einen Beitrag von zwei Millionen Franken 60 zusätzliche öffentliche Parkfelder im Parkhaus Altstadt. Die restlichen Parkierungsanlagen in der Innenstadt würden Private betreiben, etwa im Schlosspark oder in der Passage.

Veränderungen der Anzahl öffentlicher Parkplätze in der Innenstadt (bis Dezember 2020)

Ja-Argumente: «Entspricht einem echten Bedürfnis»

Die Auslastung des Parkhauses Altstadt liege bei zirka 30 Prozent, jene des Parkhauses am Marktplatz bei zirka 65 Prozent, rechnet der Stadtrat in der Abstimmungsbotschaft vor. Deshalb sei es wichtig, dass die Stadt über eigene Parkplätze verfüge, bei denen sie die Tarife im Gegensatz zum Parkhaus Altstadt selber gestalten kann und somit eine lenkende Wirkung entfalten könne. Denn:

«Die Parkierung versteht der Stadtrat weiterhin als Steuerungselement für den Verkehr im Allgemeinen.»
Andreas Elliker, Stadtrat und Departementsvorsteher Bau und Verkehr.

Andreas Elliker, Stadtrat und Departementsvorsteher Bau und Verkehr.

Bild: Andrea Stalder

Die Übernahme von 50 Parkplätzen bezeichnet der Stadtrat mit der Mehrheit des Gemeinderates und dem Komitee «Chance nutzen» im Rücken als Chance, an «innerstädtischer Lage weitere öffentliche Abstellplätze zu schaffen». Diese seien besonders für die Gewerbetreibenden in der Vorstadt von Bedeutung, zumal mit der Umnutzung des Kasernenareals, der Entwicklung des Gebiets Murgbogen und dem Neubau des Kaff-Kulturpavillons auf dem Oberen sowie dem Unteren Mätteli weitere Parkplätze verschwinden könnten. Auf einen Vorstoss aus dem Gemeinderat hat der Stadtrat vorgerechnet, dass im Stadtzentrum in den vergangenen zehn Jahren 42 oberirdische Parkplätze abgebaut wurden. Diese will der Stadtrat mit der öffentlichen Teilnutzung der Tiefgarage unter dem Anbau zum Regierungsgebäude auffangen, um auch dem Richtplan Siedlung und Verkehr Rechnung zu tragen.

Der Kanton würde laut Botschaft sämtliche Erneuerungs-, Unterhalts- und Betriebskosten übernehmen und die 50 von der Stadt abgesehenen Parkplätze bewirtschaften. Sowohl die Tarife als auch die rund um die Uhr an 365 Tagen vorgesehenen Öffnungszeiten könne der Stadtrat in Abstimmung mit den anderen Parkierungsanlagen festlegen. Ausserdem seien ausserhalb der Bürozeiten der kantonalen Verwaltungsangestellten weitere Parkplätze in Aussicht gestellt.

Der aktuelle Stadtrat an der Seite von Stadtschreiberin Bettina Beck auf dem Balkon des Schlosses: Fabrizio Hugentobler (FDP), Barbara Dätwyler Weber (SP), Andreas Elliker (SVP), Elsbeth Aepli Stettler (CVP) und Stadtpräsident Anders Stokholm (FDP).

Der aktuelle Stadtrat an der Seite von Stadtschreiberin Bettina Beck auf dem Balkon des Schlosses: Fabrizio Hugentobler (FDP), Barbara Dätwyler Weber (SP), Andreas Elliker (SVP), Elsbeth Aepli Stettler (CVP) und Stadtpräsident Anders Stokholm (FDP).

Bild: Kevin Roth

Der Stadtrat und das Befürworterkomitee sprechen von einer einmaligen Chance, zumal das Geschäft mit zweckgebundenen Mitteln aus der Spezialfinanzierung finanziert werden könne. Mit den zusätzlichen Parkplätzen könne der Parksuchverkehr in der nordöstlichen Innenstadt reduziert und den Gewerbetreibenden in der Vorstadt einen Mehrwert bezüglich Erreichbarkeit und Kundenattraktivität gebracht werden. Weiter argumentiert er:

«Das zusätzliche Angebot an Autoabstellplätzen entspricht einem echten Bedürfnis von Gewerbetreibenden, Besuchern und Kunden von Altstadt und oberer Vorstadt.»

Und sei ein Gebäude einmal erstellt, liessen sich nachträglich zusätzlich Tiefgaragenparkplätze nur noch höchst unwirtschaftlich erstellen.

Nein-Argumente: «Geld lässt sich wirksamer einsetzen»

Das sieht das Gegnerkomitee aus der Fraktion CH/Grüne/GLP «Nein zu 1,75 Millionen Franken für unnötige Tiefgaragenparkplätze!» ganz anders. 2000 öffentlich zugängliche Parkplätze stünden der Bevölkerung heute in der Frauenfelder Innenstadt zur Verfügung, rund die Hälfte davon oberirdisch, die andere Hälfte unterirdisch. Es schreibt:

«Dieser Kauf entspricht keinem Bedürfnis und erfolgt ohne Abstützung auf ein übergeordnetes Parkierungskonzept.»

Die Gegner sehen nicht ein, dass sich die Stadt in der geplanten Tiefgarage an der Staubeggstrasse einkauft, «einfach weil gerade die Gelegenheit besteht». Denn nur wenige Meter daneben stehe das Parkhaus Altstadt «meistens fast leer». Die Parkplatzanzeige weise kaum einmal weniger als 50 freie Parkplätze aus, was der städtischen Erhebung einer Auslastung von nur 30 Prozent entspricht. «Es handelt sich hiermit somit um eine offensichtliche Fehlinvestition, die auf falschen Annahmen über die Parkierungsbedürfnisse beruht», meinen die Gegner, angeführt von den Gemeinderäten Michael Pöll (Grüne) und Karin Gubler (CH), und weibeln auf der Internetseite «Nein zu leerem Parkhaus» für ihr Anliegen.

Michael Pöll, Gemeinderat Grüne.

Michael Pöll, Gemeinderat Grüne.

Bild: PD

Pöll, Gubler und die weiteren Kritiker glauben nicht, dass die 50 zusätzlichen Tiefgaragenparkplätze besser ausgelastet sein werden als der bestehende Parkplatz Altstadt, das erst noch näher bei der Altstadt liegt. Warum also weitere 1,75 Millionen Franken für leerstehende Parkplätze ausgehen? «Dieses Geld lässt sich wirksamer und nachhaltiger einsetzen», heisst es seitens der Gegner, und sie zählen Massnahmen wie das Parkleitsystem auf, um den Suchverkehr zu reduzieren, oder Verbesserungen der Zugänglichkeit der Altstadt für Fussgänger und Velofahrer.

Karin Gubler, Gemeinderätin CH.

Karin Gubler, Gemeinderätin CH.

Bild: PD

Ausserdem sei auf dem Oberen Mätteli als Teil des Projekts «Markt Thurgau» eine Tiefgarage geplant als Ersatz für die dortigen oberirdischen Parkplätze, wozu die Millionen aus dem Parkierungsfonds noch hochwillkommen sein würden. «Sparen wir also diese Gelder besser für zukunftsträchtigere Investitionen zur Verbesserung der Lebensqualität im Zentrum von Frauenfeld», finden die Gegner.

Über die Abstimmung zur Teilrevision der Gemeindeordnung betreffend Einführung der Unvereinbarkeit des Amtes des Stadtpräsidiums mit einem National- oder Ständeratsmandat berichtete diese Zeitung in der Ausgabe vom Mittwoch, 18. August.