Das gereinigte Abwasser der Stadt St. Gallen soll künftig über eine neue Leitung direkt in den Bodensee geführt werden. Der WWF findet das, anders als die Regierung, keine gute Idee.
steinach. In die Steinach steigt man besser nicht zum Baden. Zuweilen führt der Fluss fasst nur das gereinigte Abwasser der Kläranlage Hofen bei Gommenschwil, zu deren Einzugsgebiet das Zentrum und der Osten der Stadt St. Gallen sowie Wittenbach und Teile der Gemeinde Speicher gehören. Bei Niedrigwasser sind es bis zu 80 Prozent. Eigentlich dürfte der Anteil des ARA-Wassers höchstens ein Zehntel ausmachen.
Möglicherweise stinkt und schäumt die Steinach schon bald nicht mehr. Das gereinigte Abwasser der ARA Hofen soll nämlich über eine neue Leitung via die ARA Morgental im Grenzgebiet zwischen Arbon und Steinach direkt in den Bodensee geführt werden. Das 20-Millionen-Projekt ist Ende Oktober der Öffentlichkeit präsentiert worden (Tagblatt berichtete). Für die Verantwortlichen gibt es nur Gewinner. Das Trinkwasser sei nicht gefährdet, die Qualität werde im Gegenteil gesichert, betonte der Arboner Stadtammann Martin Klöti.
Nicht alle wollen es ihm glauben. Nach wie vor skeptisch ist beispielsweise Peter Klingenstein, der oberste Schweizer Berufsfischer am Bodensee. Es zeige sich immer wieder, das vermeintlich unbedenkliche Lösungen später zu einem Problem würden, schrieb der Steinacher unlängst in einem Leserbrief. Gescheiter wäre es seiner Meinung nach, das viele Geld für die Leitung in bessere Reinigungstechnologien vor Ort in Hofen zu investieren.
Ein gewisses Unbehagen beschleicht auch CVP-Kantonsrat Luzi Schmid aus Arbon, wenn er sich die Pläne anschaut. Er gelangte deshalb Anfang Dezember mit ein paar Fragen an die Thurgauer Regierung. Diese gab gestern Entwarnung. Alles werde besser, sagt auch sie: Die Steinach gesunde und die Trinkwasserversorgung werde sicherer. Zudem eröffneten sich mit dem geplanten Kraftwerk neue Möglichkeiten zur Energiegewinnung.
Geplant ist, das Abwasser mit einer längeren Leitung ab der ARA Morgental in die Steinacher Bucht bis in eine Tiefe von rund 15 Metern zu führen. Die Trinkwasserfassungen würden dadurch «eher weniger beeinflusst werden» als heute, schreibt der Regierungsrat. Nur bei bestimmten Starkwindverhältnissen könnte es umgekehrt sein.
Der WWF Bodensee-Thurgau ist trotzdem dagegen. Sie beurteilten das Vorhaben aus ökologischer Sicht «mehrheitlich als schlecht», weil die Steinacher Bucht eine Flachwasserzone sei, sagt Geschäftsführer Roland Peter.
Als Alternative zur geplanten Leitung schlägt der WWF den Bau eines Sumpfsystems vor, das gemäss Peter vergleichsweise kostengünstig und wartungsarm ist. Im Umfeld der ARA Hofen sei genügend Platz für eine solche naturnahe Reinigungsstufe mit Teichen und Bodenfiltersystemen. «Bevor der Bodensee als Nachreinigungsstufe missbraucht wird, sollten alle solchen Lösungen geprüft werden», verlangt Peter. Würde das Beispiel mit der Leitung Schule machen, stünde es schnell wieder schlecht um die Qualität des Bodenseewassers.
Das Geschäft soll Ende dieses Jahres ins St. Galler Stadtparlament kommen. Der WWF will den Widerstand kantonsübergreifend koordinieren. Peter hat bereits Kontakt mit seinen St. Galler Kollegen aufgenommen.