Die Zahl der neugegründeten Unternehmen im Thurgau nimmt zu. Fachleute beobachten vor allem einen Trend in der Gesundheitsbranche. Als Star unter den Rechtsformen kristallisiert sich die GmbH heraus.
Sebastian Keller
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Gründerlust liegt in der Luft. Das zeigt ein Blick in die neuste Statistik des Handelsregisters. Per Stichtag 1. Januar 2018 sind im Thurgau mehr Gesellschaften eingetragen als am Neujahrstag vor einem Jahr. Es sind dies 18140 Firmen. Die Zunahme beträgt 2,74 Prozent, was knapp über dem Schweizer Durchschnitt von 2,4 Prozent liegt.
Daniel Wessner ist Chef des Thurgauer Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA). «Die Anzahl Firmengründungen ist auch ein Indikator der Wirtschaftslage», sagt er. Das allgemeine Klima sei günstig. Als Gründe dafür nennt er einige: Die Auftragslage ist besser als vor zwölf Monaten, die Arbeitslosigkeit tief, sie sank im Jahr 2017 auf 2,3 Prozent. Zudem investieren die Unternehmen. Dies alles befeuere die Gründerlust. «Wenn es der Wirtschaft besser geht, werden die Leute mutiger», sagt Wessner. «Sie glauben an ihre Projekte, an ihre Vorhaben.»
Die Thurgauer Kantonalbank (TKB) hilft Jungunternehmern auf die Beine. Stephan Amacker leitet den Beratungsdesk für Jungunternehmer. Er sieht einige «gute Gründe», die für eine Unternehmensgründung im Thurgau sprechen: «Die Produktions- und Lohnkosten sind attraktiv, und auch steuerlich muss der Thurgau den Vergleich mit den umliegenden Kantonen nicht scheuen.» Ferner sei die Ausgangslage gut, falls jemand eine Liegenschaft für seine Firma bauen oder mieten wolle. Für exportorientierte Betriebe spreche zudem die Nähe zur Grenze.
Beliebt bei Firmengründern ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die GmbH. Im Thurgau nahm die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 3,67 Prozent zu (siehe Grafik), schweizweit sogar um 5,51 Prozent. Das Wachstum dieser Rechtsform ist seit längerem zu beobachten. Daniel Wessner verwundert das nicht. «Die GmbH ist zu Recht eine beliebte Rechtsform.» Ein Startkapital von 20000 Franken reiche aus, um ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit zu erlangen. Bei einer Aktiengesellschaft sind 100000 Franken notwendig. «Im Vergleich zum Einzelunternehmen spricht für die GmbH die, wie der Name sagt, beschränkte Haftung», sagt Wessner. Bei der GmbH hafte der Inhaber im Fall eines Konkurses nur mit dem Gesellschaftskapital, beim Einzelunternehmen auch mit dem Privatvermögen. Für die Wahl einer Kapitalgesellschaft, GmbH wie AG, sprechen auch steuerliche Vorteile.
Die beliebteste Gesellschaftsform im Thurgau ist gemäss Handelsregister immer noch die AG: Per 1. Januar 2018 zählt der Thurgau 5914 Aktiengesellschaften, GmbH sind 5788 verzeichnet. Auf Platz drei folgen Einzelunternehmen: 4921 an der Zahl, wobei – im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften – sich nicht alle Einzelunternehmer eintragen lassen müssen. Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sind wenige zu finden, zusammengerechnet gibt es im Thurgau keine 500.
Stephan Amacker von der TKB sagt, für die Wahl der Rechtsform seien mehrere Gründe ausschlaggebend. Etwa die Grösse der Firma, das Geschäftsmodell, die Branche und nicht zuletzt die finanzielle Ausgangslage des Firmengründers. «Wir erachten die Einzelfirma oftmals als eine ebenso passende Variante für den Start, je nach Branche und Geschäftsmodell.» Und auch diese Rechtsform ist beliebt, wie die Handelsregisterstatistik zeigt: Die Anzahl Einzelunternehmen nahm im Vergleich zum Vorjahr um 2,63 Prozent zu.
Keine Aussage macht die Statistik dazu, in welchen Branchen die Neugründungen stattfinden. Die Fachleute machen aber ihre Beobachtungen. AWA-Chef Wessner sagt: «Der Trend geht in Richtung Dienstleistung.» Das seien oft Unternehmen, die keine grosse Infrastruktur benötigen. Für Beratungen reichten oftmals ein Computer und ein Handy aus. Stephan Amacker stellt einen Trend in der Gesundheitsbranche inklusive Personal Training und Fitness fest. «Auch im Baunebengewerbe sind einige Firmen gegründet worden.» Generell würden sich durch die Digitalisierung immer wieder neue, innovative Geschäftsmodelle ergeben. Weniger Gründungen seien im Detailhandel zu beobachten, sagt Wessner. «Das Umfeld ist schwierig.» Stichwort: Einkaufstourismus und Onlinehandel.
Im Thurgau sind Jungunternehmer nicht auf sich alleine gestellt. So gibt es beispielsweise das Startnetzwerk (Interview mit der neuen Geschäftsführerin in der letzten Ausgabe). Diese bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) angegliederte Organisation coacht Jungunternehmer. Beteiligt sind neben der IHK der Thurgauer Gewerbeverband, die TKB und der Kanton. «Das Startnetzwerk bietet auch immer wieder Kurse für Jungunternehmer an und fördert mit Veranstaltungen den Austausch», sagt Stephan Amacker.
Auch wenn das wirtschaftliche Klima günstig ist, so gebe es einen gewissen Nachholbedarf: «Wo wir ein Problem haben, ist bei der Kapitalbeschaffung», sagt Daniel Wessner. Gerade beim Risikokapital. Banken würden für risikoreiche Vorhaben kaum Kredite gewähren. Deshalb blieben meist nur die drei «F»: «Friends, family and fools», wie es in der Wirtschaftssprache heisst – also Freunde, Familie und Narren. Gründungskapital zur Verfügung zu stellen erachtet Wessner nicht als Aufgabe des Staates.