Bruno Kneubühler mischte zwei Jahrzehnte lang an der Spitze des Motorradrennsportes mit. Vor 26 Jahren beendete er seine Profikarriere. Benzin im Blut hat der 67-Jährige immer noch. Auch wenn sein Auto heute mit Erdgas fährt.
AADORF. Der goldene Helm hat einen Ehrenplatz in Bruno Kneubühlers Theorielokal an der Wittenwilerstrasse. Ein bisschen Staub hat er zwar angesetzt, aber er glänzt auch nach 25 Jahren noch. 1989 war der Kopfschutz ein Geschenk. Kneubühler beendete seine Profikarriere als Motorradrennfahrer. Mit Freunden und Sponsoren feierte er das Ende seiner 17jährigen internationalen Laufbahn.
«Andere erhalten einen goldenen Oscar für ihr Lebenswerk, Du diesen Helm, sagte mein Sponsor, der Glattbrugger Bauunternehmer Walter Schmid, zu mir», erinnert sich Kneubühler – und hält gleich noch eine Anekdote von seinem Abschiedsfest bereit: «Das Motto der Party war <Grün>, die Farbe meiner Motorradmarke Kawasaki. Rolf Biland, der siebenfache Seitenwagenweltmeister, hatte sich seine Haare grün angesprayt. Es sah super aus, aber er hatte Autolack verwendet und musste sich danach die Haare abschneiden.»
Bruno Kneubühler blickt ohne Wehmut zurück. Schliesslich hat ihn der Virus auch nie mehr losgelassen. 13 Motorräder besitzt er noch. Oldtimer, ehemalige Race Bikes, moderne Strassenmaschinen. «Meine schnellste Maschine, eine MV Agusta F4 1000, läuft über 300 Stundenkilometer, im ersten Gang macht sie 150», schwärmt er. «Aber mit der muss ich höllisch aufpassen, ich brauche doch meinen Fahrausweis für die Arbeit.»
Denn Kneubühler bezieht zwar seit zwei Jahren AHV, seine Fahrschule betreibt er aber weiter. «Es macht mir einfach Spass, ich unterrichte sehr gerne», sagt er. Seit 1992 ist er Fahrlehrer. Er lehrt Auto und Motorrad. Auf die Frage nach seiner Präferenz muss er nicht lange überlegen. «Motorrad macht mehr Spass», antwortet er spontan. Dabei stehe nicht einmal das Gefährt im Vordergrund. «Die Autoprüfung machen alle mit 18, weil man sie einfach braucht», erklärt Kneubühler. «Bei den Motorradschülern spüre ich viel mehr Herzblut.» Er berichtet von einer Fahrschülerin, die letztes Jahr bei ihm die Prüfung machte. Seit sie 20 war, sei eine Harley Davidson ihr Traum gewesen, habe sie ihm erzählt. Erfüllt hat sie ihn sich mit 60 Jahren. Überhaupt sei das Motorrad heute kein reines Fortbewegungsmittel mehr, entsprechend haben sich auch die Fahrschüler geändert.
Auch technisch habe sich viel gewandelt. «Ich schraube immer noch sehr gerne an meinen Maschinen. Aber an den neuen geht nichts mehr kaputt. Die bekommen dann halt einen anderen Lenker oder ich montiere Karbonteile.» Ganz anders seine ehemaligen Rennmaschinen: «Das waren alles Zweitakter, da musste man regelmässig den Motor zerlegen und die Kolben auswechseln.» Arbeiten, die er immer noch gerne erledigt. Heute in seiner Werkstatt in Matzingen, früher unterwegs irgendwo in Europa. «Wir hatten noch keinen Begleittross mit Mechanikern und Physiotherapeuten», erzählt er. «Wir haben fast alles selber gemacht und uns auch unter Konkurrenten mit Teilen und Tips ausgeholfen.»
Neidisch auf die heutige Athletengeneration sei er aber nicht, betont er. Heute könne man zwar mehr Geld verdienen im Profirennsport, das ganze Sponsoring sei viel professioneller. Aber: «Wir hatten damals viel mehr Freiheiten. Geschlafen haben wir sowieso im Zelt und wenn es uns irgendwo gefiel, sind wir nach dem Rennen einfach noch ein, zwei Tage geblieben. Wir führten ein richtiges Zigeunerleben.»
Wobei die Reiserei nicht immer nur angenehm gewesen sei, gesteht Kneubühler. Ein Rennen in Spanien, das nächste in Finnland. 4000 Kilometer mit VW-Bus und Anhänger. Erst zum Ende der Karriere sei dann ein Car mit Werkstatt dringelegen. «In meiner letzten Saison hatte ich ein Budget von 250 000 Franken», erinnert er sich. «Das war für Ausrüstung, Reisen, Mechaniker – einfach für alles.»
15 Jahre zuvor waren die Beträge noch kleiner. «1973 bin ich in drei Kategorien angetreten: 50, 250 und 500 Kubik. Nachdem ich ein Jahr zuvor die Grand-Prix-Lizenz erhalten hatte, bekam ich in der 50er-Kategorie ein Startgeld von 400 Franken, viel Geld damals.» So habe er einmal an einem Rennwochenende drei zweite Plätze eingefahren. «Aber nur, weil mir im 500er-Rennen in der letzten Runde der Auspuff riss», ärgert er sich immer noch. «Sonst hätte ich gewonnen.»
Noch heute ist Bruno Kneubühler auf den Rennstrecken Europas anzutreffen. Er fährt Oldtimerrennen oder ist auch einfach zum Plausch schnell unterwegs – wenn er die 300 Stundenkilometer fahren will, ohne seinen Fahrausweis zu riskieren.
Beruflich lässt er es indes seit seiner Pensionierung gemächlicher angehen. Sein Fahrschulauto ist ein Kleinwagen mit Erdgasantrieb – und: «Vor neun, zehn Uhr gebe ich keine Fahrstunden mehr. Und Donnerstag ist Enkeltag.» Fünf und sieben Jahre alt sind die zwei Buben – und bereits vom Benzinvirus infiziert. Der jüngere fährt Quad, der ältere Motocross. «Und beide werkeln gerne», freut sich der Grossvater. «Mit meinen Enkeln verbringe ich mehr Zeit als früher mit meinem Sohn, muss ich leider gestehen. Aber ich hoffe, dass mein Sohn das irgendwann auch von seinen Enkeln sagen kann.»
Bis es so weit ist, geniesst Bruno Kneubühler die Zeit mit seinen Nachkommen: «In ein paar Jahren interessieren sie sich wahrscheinlich nicht mehr für die alten Geschichten ihres Grossvaters.»