Die Archäologen des Kantons Thurgau untersuchen die Pfahlbausiedlung im Nussbaumersee. Am Seegrund finden sie neben Pfählen, kaputten Steinbeilen und Knochen aus der Jungsteinzeit auch Reste eines Ofens aus dem Mittelalter.
Larissa Flammer
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Die Taucherbrillen, welche die Archäologen im Nussbaumersee benutzen, wirken unter Wasser wie Vergrösserungsgläser. «Manchmal sind wir etwas enttäuscht, wenn ein Objekt an der Oberfläche plötzlich gar nicht mehr so gross ist», scherzt Matthias Schnyder. Er ist der Chef der Tauchequipe und beim Thurgauer Amt für Archäologie angestellt. Die Fundstücke, die Schnyder und sein Team in den vergangenen drei Wochen aus dem Nussbaumersee geholt haben, sind keineswegs nur klein. Eine Scherbe aus der Jungsteinzeit beispielsweise zeigt, wie gross die Töpfe damals waren. Doch obwohl die laufende Untersuchung stattfindet, um den Zustand der zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Pfahlbausiedlung festzustellen, bergen die Archäologen auch Objekte aus jüngerer Zeit. Ein gut erhaltenes Stück eines Kachelofens stellt die Experten vor ein Rätsel. Sie wissen von einer Fischerhütte, die das Kloster Ittingen im hohen Mittelalter am Nussbaumersee nutzte. Doch ein Kachelofen und auch die Scherbe eines sehr fein gearbeiteten Trinkglases passen nicht wirklich zu einer Fischerhütte. «Wir werden jetzt recherchieren, was im Mittelalter am Nussbaumersee tatsächlich geschah», sagt Simone Benguerel, Leiterin Archäologie beim kantonalen Amt.
Die Reste der Pfahlbausiedlung im Nussbaumersee sind in sehr gutem Zustand, das hat die laufende Untersuchung bereits gezeigt. Noch bis Ende Monat dürfen die Archäologen weiter tauchen, danach laufen die Bewilligungen ab. Kantonsarchäologe Hansjörg Brem sagt: «Ich bin hochzufrieden mit der Untersuchung und den Resultaten. Es bestätigt den Entscheid, die Siedlung für das Weltkulturerbe vorzuschlagen.»
Im Nussbaumersee liegen viele Bäume, deren Äste mit Moos und Algen überzogen sind. Auch Muscheln und Krebse sind den Tauchern begegnet. «Zwischendrin liegen die Fundstücke», erzählt Matthias Schnyder. Zu dieser Jahreszeit ist die Sicht im Moorsee gut. Mit gut meint der Tauchleiter freie Sicht auf drei Meter. Die Taucher schützen sich mit Trockenanzügen gegen das kalte Wasser. Die Werkzeuge tragen sie am Anzug und in einem Korb mit sich. «Denn im Wasser kann ein Werkzeug nicht einfach kurz abgelegt werden, sonst verschwindet es im Schlick.» Dieser Schlick ist es auch, der die Sichtverhältnisse innert Sekunden verschlechtern kann. Deshalb erzeugen die Taucher mit einem Strahlrohr eine künstliche Strömung, die den aufgewirbelten Schlick davonträgt.
Auf dem Seegrund haben sich Fundstücke aus den vergangenen 6000 Jahren angesammelt. Da kann ein Knochen von vor 5000 Jahren neben einem Pfirsichkern von vergangenem Sommer liegen. Der Nussbaumersee befindet sich in einem Naturschutzgebiet. Die bisher letzte grosse taucharchäologische Untersuchung fand dort im Jahr 1991 statt. So schnell wird es auch keine so grosse Untersuchung mehr geben, wie Amtsleiter Brem sagt. Der archäologische Tauchgang im Nussbaumersee sei der technisch anspruchsvollste im ganzen Kanton. «Mir geht es um die Erhaltung und die Vermittlung des Weltkulturerbes», sagt Brem. Ein Teil der Fundstücke wird ausgestellt, der Rest ins Archiv aufgenommen.